Schrammek, Bernhard

Die Musikwelt der ­Klassik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2011
erschienen in: üben & musizieren 3/2012 , Seite 57

Dieses Buch hat Stärken und Schwächen und beides ist miteinander verknüpft. Der Autor erweist sich als außerordentlich kenntnisreich und souverän auf allen Ebenen von den übergeordneten Gedanken bis zum Detail, er trifft das Richtige, in der Sache wie im Ton, und er formuliert es klar und verständlich, ­ohne den hohen Anspruch der Thematik zu verdecken.
Zehn vielfach unterteilte Kapitel behandeln den problematischen Epochenbegriff „Klassik“, die zeitgeschichtliche Situation, Forscher und Theoretiker, musika­lische und ästhetische Strömungen, die ab etwa 1730 zur Klassik hinführen, Wien und viele andere europäische Zentren, musikalische Gattungen, Bau und Veränderung der Instrumente sowie die Rezeption der Klassik bis in die Gegenwart.
Dieser weit gefasste Ansatz, der über die Klassik-Schablone Haydn-Mozart-Beethoven weit hinausweist und alle relevanten Orte und Künstlerpersönlichkeiten der Epoche einbezieht, führt zur Darstellung einer außerordentlichen Fülle von Fakten, Ereignissen und Künstlerpersönlichkeiten, auch von Termini samt ihrer Begriffsgeschichte, die zur Musik der Klassik gehören und die eben wegen ihrer Fülle in vielen Fällen nur in relativ kurzen Passagen präsentiert werden können.
Es stellt sich daher die Frage, für welche LeserInnen das Buch gedacht ist. Für MusikerInnen, Musiklehrkräfte und Studierende ist es im Detail zu knapp gehalten. Zwar bietet es viele Anregungen, verlangt aber intensive Weiter­arbeit anhand speziellerer Veröffentlichungen. Die Anmerkungen und das Literaturverzeichnis geben dazu allerdings wertvolle Hin­weise.
Für den musikalischen Laien wie­derum ist das Übermaß an wesentlichen Informationen einerseits und teils recht entlegenen Exkursen und biografischen Bemerkungen andererseits eher verwirrend. Er wird ohne die Kenntnis mancher Hintergründe nur mit Mühe erfahren, was ihm der Titel verspricht, weil ihn die Verzweigungen und Überschneidungen leicht ermüden können. Zudem kommt man ohne sorgfältige Arbeit mit dem Register nicht aus, da sich vieles Zusammenhängende nur verstreut wiederfindet, mitunter sogar fast wörtlich an anderer Stelle wiederholt.
Eine wesentliche Ursache hierfür ist die grundlegende Konzeption des Buchs als nicht immer gelungene Mischung aus fortlaufender Darstellung und lexika­lischer Reihung von über 120 Unterabschnitten. Dies mag in editorischen Vorgaben begründet sein. Und dasselbe gilt für die Kurzanalysen von Werken, deren Auswahl nicht ganz durchschaubar ist und deren Opern- bzw. Konzertführerstil kaum befriedigt. Auch ist die Behauptung (im Vorwort) übertrieben, auf Notenbeispiele habe verzichtet werden können, weil fast alle Werke leicht zugänglich seien.
Aufschlussreich sind die vielen gut gewählten zeitgenössischen Zitate. Eine Reihe von Bildern ergänzt das weit gefächerte Spekt­rum der Epoche, das hier entworfen wird.
Peter Schnaus