Mozart, Wolfgang Amadeus

Die Notenbücher der Geschwister Mozart

für Klavier, hg. von Wolfgang Plath

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2018
erschienen in: üben & musizieren 6/2018 , Seite 54

Die Notenbücher der Geschwis­ter Mozart sind ein Glücksfall in der Geschichte der Klavierpädagogik, da sie einen lebendigen Einblick in die Lehrweise des Vaters Leopold Mozart gestatten und zugleich die frühesten Kompositionen des Sohnes Wolfgang Amadeus dokumentieren. In ihrer musikantischen Frische gehören die kleinen Stücke bis heute zum Kernbestand der Unterrichtsliteratur. Allerdings lernen die meisten KlavierschülerInnen nur die immer gleiche Auswahl von wenigen Stücken in den verschiedenen Sammlungen von Anfängerliteratur kennen.
Das Referenzwerk für die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Notenbüchern ist der 1982 erschienene, von Wolfgang Plath herausgegebene erste Band der Klavierstücke der Neuen Mozart-Ausgabe (Bärenreiter). Die aufwendig gestaltete Leinen-Aus­gabe wird ergänzt durch einen zweibändigen Editionsbericht – ein eindrücklicher Hinweis auf die komplizierte Quellenlage, besonders beim Nannerl-Notenbuch. Durch die kartonierte Neuausgabe macht der Verlag nun diesen hervorragend recherchier­ten Band zu einem erschwing­lichen Preis einer größeren Öffentlichkeit zugänglich. Außer den vollständigen Notentexten sind Auszüge aus dem Vorwort von Wolfgang Plath in deutscher und englischer Sprache sowie Faksimile-Seiten aus beiden Notenbüchern enthalten.
Das Nannerl-Notenbuch enthält in seiner ursprünglichen Fassung von 1759 hauptsächlich Kompositionen von Leopold Mozart, ergänzt durch einige Beispiele seiner Zeitgenossen Georg Christoph Wagenseil, Johann Nikolaus Tischer, Johann Joachim Agrell sowie Carl Philipp Emanuel Bach. Später kamen die ersten, noch vom Vater aufgeschriebenen Kom­positionen von Wolfgang Amadeus dazu. Nach dem Tod von Vater und Bruder trennte Nannerl einzelne Blätter aus dem Buch heraus und verschenkte sie an Freunde. Daher ist es eine große, immer noch nicht ganz abgeschlossene Aufgabe, den ursprünglichen Bestand wiederherzustellen.
Weniger kompliziert ist die Quellenlage beim Londoner Skizzenbuch, das die ersten selbst notierten Stücke des mittlerweile achtjährigen Wolfgang Amadeus enthält. Hier konnte der Herausgeber auf das Original zurückgreifen, das sich in der Biblioteka Jagiello´nska Kraków befindet. Bei diesem Heft stellte sich für den Herausgeber vor allem die Frage, ob wirklich alles so gemeint war, wie es aufgeschrieben wurde. Mit Ausnahme eines offensichtlichen Irrtums in der rhythmischen Notation des d-Moll-Stücks KV15u, den auch der Henle-Verlag (HN 22) korrigiert, lässt sich das nicht eindeutig entscheiden. Henle bleibt in allen Fällen beim Original, während die Bärenreiter-Ausgabe an einigen Stellen über oder unter dem Originaltext Ossia-Varianten vorschlägt. Auf Fingersätze wurde verzichtet.
Sigrid Naumann