Kramarz, Volkmar

Die Pop Formeln

Die Harmoniemodelle der Hitproduzenten, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Voggenreiter, Bonn 2006
erschienen in: üben & musizieren 1/2007 , Seite 58

Harmonielehren gibt es viele. Der Großteil dieser Publikationen richtet sich jedoch an Jazz- oder klassische Musiker. Das Buch Die Pop Formeln von Volkmar Kramarz unternimmt nun den Versuch, einige in Popsongs häufig wiederkehrende Akkordfolgen harmonisch zu erklären und anhand von Beispielsongs konkrete Anwendungen darzustellen. In zwölf Kapiteln erklärt Kramarz verschiedene harmonische Phänomene, darunter die Dur-Kadenz, den Turnaround, Dur- und Moll-Blues sowie verschiedene gängige diatonische Muster. Das verwendete Material beschränkt sich auf Dur- und Moll-Dreiklänge sowie Dominantseptakkorde. Deren Herkunft und Aufbau werden gut verständlich erklärt, auch auf Akkordverwandtschaften wird eingegangen. Richtig in die Tiefe gehen die harmonischen Erklärungen zwar nicht, aber für ein anwenderorientiertes Verständnis reichen die Informationen allemal.
Anhand der Beispielsongs können die verschiedenen musikalischen Stimmungen, die mit den jeweiligen „Pop-Formeln“ erzeugt werden, akustisch sehr gut nachvollzogen werden. Wer bisher ohne großes harmonisches Verständnis ans Musizieren herangegangen ist, erhält so eine Fülle an Anregungen fürs Komponieren. Besonders positiv zu vermerken ist, dass es hier wirklich um Rock- und Popsongs und deren harmonisches Gerüst geht. Jazzige Tritonussubstitutionen und den inflationären Gebrauch von Tonartwechseln sucht man hier vergebens. Sogar auf die im Heavy Metal verwendeten, leicht dissonant klingenden Akkordmuster wird eingegangen.
Das Buch bietet einen gelungenen, relativ einfach nachvollziehbaren Einstieg in die theoretische Basis der Rock- und Popmusik. Um ein tieferes Verständnis der Materie zu erreichen, sollte man jedoch noch weitere Informationsquellen zu Rate ziehen. Sowohl Vier-Klänge (abgesehen von Dominantseptakkorden) als auch die Kirchentonleitern tauchen in diesem Buch nicht auf, obwohl sie in vielen Rock- und Popstilistiken (Country, Soul) eine wichtige Rolle spielen.
Die beiliegende CD ist gut produziert, weist aber ein leichtes 70er-Jahre-Feeling auf und verrät die musikalische Herkunft des Autors. Was bei den Audiotracks charmant wirkt, führt im Text manchmal zu leicht esoterisch angehauchten Erklärungsversuchen, die harmonische Phänomene mehr mystifizieren, als es notwendig ist. Die These, dass progressivere Rockmusiker vorwiegend auf Mollsubdominanten zurückgreifen und diese auf großen Bühnen zum Besten geben, während Bluesmusiker, die traditionelle Zwölf-Takter spielen, dies hauptsächlich in kleinen Clubs tun, ist doch recht gewagt und hilft dem harmonisch interessierten Einsteiger sicher nur bedingt weiter.
Trotzdem ist die Mission des Buchs sehr lobenswert, denn spezielles theoretisches Material für Pop- und Rockmusiker ist in Deutschland immer noch Mangelware.
Martin Schmidt