Bund, Basti

Die Wurzelkinder

Szenische Kantate durch das Jahr für Erzähler, Altstimme, 2stg Kinderchor, 2 Hörner, Streichquartett, Pianoforte und Glockenspiel, Aufführungsmaterial/Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: www.bastibund.com, Ulm 2014
erschienen in: üben & musizieren 1/2015 , Seite 53

Gewiss, aus Märchen lassen sich große Opern zimmern – der Name Humperdinck steht dafür. Aus Erzählungen, die, wenngleich keine Märchen, aber doch märchenhafte Züge aufweisen, lässt sich wiederum das konst­ruieren, was einst das bürger­liche Pendant zur höfischen Oper war: das Singspiel. Auch wenn Letzteres sich heutzutage mehr ins Gewand des Musicals verflüchtigt hat, weiß es seine Tradition zu bewahren. Wofür das neu erschienene und kürzlich uraufgeführte Singspiel Die Wurzelkinder von Basti Bund einen Beweis antritt.
Der Partitur liegt die Librettofassung eines Kinderbuchs von Sybille von Olfers und Michael Döhmann zugrunde, das die Natur, ihr Wachstum und das Verblühen zum Thema erhebt. Und zwar aus der Perspektive von Kindern, die noch einem animistisch geprägten Weltbild verhaftet sind. Da gibt es Wurzelkinder, die zunächst im Schoß von Mutter Erde in winterlichen Nächten vom Frühling träumen. Danach verwandeln sie sich in Blumen und Gräser, erfreuen sich am Tanz und Spiel und kehren schließlich unter die Erde zurück. Ein Jahreslauf also: Deshalb enthält das Singspiel auch zwölf Szenen, deren jeweilige Verknüpfung durch einen Erzähler erfolgt.
„Das Veilchenmädchen stand ganz allein vor einem riesigen Baum. Umarmen konnte sie den Stamm nicht, aber sie konnte ihn berühren.“ „Wie ein großer Bruder“ dachte das Veilchenmächen bei sich.“ – Dieser spezifische Erzählton des Librettos findet seine Entsprechung in der Partitur. Sie weiß die vielfältigen Szenen entsprechend klanglich umzusetzen. Das Erwachen der Blumenkinder wird durch ein immer dichter werdendes Klanggewebe des Orchesters angezeigt, das aus zwei Hörnern, Glockenspiel, Klavier, 1. und 2. Violine, Viola und Cello besteht. Dazu gesellt sich der Ge­sang der Solo-Altstimme mit dem im Quart­intervall ertönenden „Wach-auf“-Ruf und dem gemischten Chor der Wurzelkinder.
Auch die 11. Szene weiß ein Bild von tollpatschig tanzenden Waldkäfern mittels rhythmisch geprägter Akkordik in der Horn- und Klavierstimme klanglich umzusetzen. Zu den längeren (teilweise bis zu 160 Takten umfassenden) Szenen fügen sich auch zwei kürzere, verhaltenere – Morgenruf und Gebet. Das Letztere steht – wie auch die 12. Szene – im Gegensatz zu den sonst vorherrschenden Dur-Tonarten in Moll.
Die Anforderungen an den Chor berücksichtigen die Möglichkeiten einer schulischen Aufführungspraxis. Die Inst­rumental­stimmen setzen geübte SpielerInnen voraus, obwohl der Bogen nicht überspannt wird. Dass Partitur und Libretto ganz der Tradition verpflichtet sind, ergibt sich aus der Sache selbst. Würde ein ironischer Ton hinzukommen, wäre der unschuldige Ges­tus dieses Singspiels zerstört.
Winfried Rösler