Dirigierpraxis

Der Weg zum persönlichen Dirigierstil

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: DVO Druck und Verlag Obermayer, Buchloe 2010
erschienen in: üben & musizieren 5/2010 , Seite 54

Es ist schön, dass es Neuveröffentlichungen gibt, die bescheiden und doch brauchbar sind, die nichts „wollen“ und von völlig uneitlen Autoren verfasst wurden. Hierzu muss man den nur 96 Seiten umfassenden Band Dirigierpraxis zählen, der eine Zusammenfassung entsprechender Fachartikel zum Thema Dirigieren darstellt, die in der Zeitschrift Clarino über einen längeren Zeitraum verteilt gedruckt wurden. Das Buch behält dabei nicht nur das zweispaltige Seitenlayout der Zeitschrift bei, auch die Originalbeiträge der Autoren sind offensichtlich ungekürzt, wenngleich in einer methodisch sinnvollen Gliederung wiedergegeben, wobei das Gros der Artikel von Robert Kuckertz stammt.
Natürlich widmen sich die Anfangskapitel den dirigentischen Grundlagen, also der Beherrschung der Schlagfiguren, Auftakten, Fermaten, Unterteilungen, der Unabhängigkeit der Hände sowie den Abschlägen. Viel mehr aber beeindruckt, wie die Autoren dem noch immer verbreiteten Missverständnis entgegenwirken, das Wesen des Dirigierens erschöpfe sich allein in eben diesem technischen Handwerk. Und so kommen sie schnell zu den „Dollpunkten“ dirigentischer Arbeit, nämlich: die unabdingbar notwendige Vorbereitung des Dirigenten durch eine Analyse des Werks, die rechtzeitige Besichtigung von Probe- und Konzerträumen, die Erstellung eines methodisch durchdachten Probekonzepts, der Umgang mit dem Problem des „Menschelns“ beim Musizieren bis hin zur Nachbereitung einer Probe.
Das alles ist in einer ungekünstelt verständlichen Sprache formuliert, sodass gerade Laien, die ja manches Mal von heute auf morgen zur Übernahme dirigentischer Aufgaben verpflichtet werden, von den einzelnen Darstellungen in hohem Maße profitieren können. Dabei stört dann auch weniger, dass die LeserInnen der Zeitschrift Clarino wohl vorrangig Bläser sind und damit natürlich das Konzept des Buchs eher auf das Dirigieren eines Blasorchesters gerichtet ist. Mit ein bisschen Fantasie lassen sich die Grundsätze nämlich auch auf die Arbeit mit Chören oder Sinfonieorchestern übertragen. Und wen die im Buch eingestreuten Interviews mit amerikanischen Dirigenten nicht stören, mag sie lesen; immerhin vermitteln sie, dass Demut und Kritik am eigenen Tun erstrebenswerte Tugenden auch für Dirigenten sind!
Ein wenig störend dagegen der Untertitel „Der Weg zum persönlichen Dirigierstil“: Die im Buch abgehandelten Grundsätze sollte doch jeder Dirigent für sich als selbstverständlich erachten. Persönlicher Stil entwickelt sich ohnehin im Laufe der Arbeit.
Natürlich vermag kein Dirigierbuch einen guten, mit praktischen Übungen versehenen Dirigierunterricht zu ersetzen. Aber das Bändchen Dirigierpraxis kann helfen, über die eigene Arbeit nachzudenken sowie die innere Einstellung zur Musik neu zu justieren. Denn im Mittelpunkt eines Konzerts sollte nicht der Dirigent stehen, sondern das Kunstwerk.
Thomas Krämer

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