Holliger, Heinz

Duöli

24 Duettchen für zwei oder mehr Geigen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2011
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 66

Noch immer dringt zeitgenössische Musik eher selten aus den Unterrichtsräumen der Musikschulen. Häufig liegt es am (angeblich) fehlenden Verständnis der SchülerInnen (oder LehrerInnen) für Neue bzw. neueste Musik sowie an einem Mangel geeigneter Literatur. Mit seinen 24 Duöli für zwei oder mehr Geigen bereichert Heinz Holliger den schmal aufgestellten Markt zeitgenössischer Unterrichtsliteratur für Violine.
Ursprünglich wollte der Schweizer Komponist „ein paar lustige Stücklein“ für seine Enkelin komponieren. Aus diesen ist ein ganzer Zyklus entstanden, der bis zu vier SpielerInnen fordert: streichend, zupfend, pfeifend und singend. Nicht umsonst lautet der Untertitel des Werks „auch zum Mitsingen und Mitpfeifen“. Die Titel der Stücke sind stets Programm: Riesen­bogen besteht aus einem langen Strich, unter dem 16 ganze Noten gefasst sind. Bei Zwei Lego-Klötzchen, die nicht ganz zusammenpassen wollen die Achteltriolen der ersten Stimme einfach nicht so richtig zu den Achteln der zweiten passen und bei der Tröpfchen-Musik tropfen verschieden hohe Töne im col legno über die Saiten, während die ­linke Hand die Saite „leicht dämpft“ – da ist ein Notensystem mit fünf Linien überflüssig. SchülerInnen lernen hier also ganz nebenbei neue Notationsformen kennen.
Die Duöli schöpfen ein weites Klangspektrum aus: Im Chüschelischtück = Flüsterstück z. B. halten die SpielerInnen ihre Geige wie ein Cello, klopfen Töne mit der linken Hand auf Saiten oder Decke und schlagen mit dem rechten Daumen auf Saitenhalter oder Steg. In Zwei Tukan-­Vögel, die miteinander streiten „krächzen“ die Geiger mit starkem Bogendruck, mal im glissando, sul tasto oder ponticello. Ob im Ganzen „sämtliche Techniken und Klänge zeitgenössischer Musik“ vorkommen, wie es in der Beschreibung heißt, sei dahingestellt…
Holligers Duettchen sind witzig, programmatisch, prägnant und unmittelbar. Der Diminuitiv im Titel kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Stücke ein recht fortgeschrittenes Spielniveau erfordern. Nur wenige der Duette eigenen sich für den „blutigen“ Anfängerunterricht – allenfalls die erste Stimme der ersten beiden Stücke. Schnell sind zwei Saiten gleichzeitig zu streichen; im vierten Stück spielen SchülerInnen bereits Doppelgriffe, des Weiteren kommen sehr hohe Lagen sowie Doppelgriffflageoletts vor. Knifflig wird es, wenn man zusätzlich zu seiner Stimme noch eine andere singen bzw. pfeifen soll wie z. B. im Pfyffschtückli = Pfeifstückchen, in dem SchülerInnen mit den Flageoletttönen wetteifern, indem sie parallel zu diesen pfeifen. Dabei sind beide Stimmen absolut notiert!
Alle Titel sowie Spielanweisungen sind vom Schweizerdeutschen ins Hochdeutsche, Englische und Französische übersetzt. Es steht also nichts im Weg, den Charme der Charakterstücke über Ländergrenzen hinweg zu vermit­teln. Gut eignen sich die stimmungsvollen Stücke auch für Zugaben und für „Jugend musiziert“.
Katharina Bradler