Kljuco, Merima (Hg.)
Eastern European Folk Tunes
33 Traditional Pieces for Accordion, mit CD
„Am besten lässt man jedem zukünftigen Interpreten die Freiheit, eine eigene Verzierungstechnik zu entwickeln und – was noch wichtiger ist – einfach gut zuzuhören.“ Dieser nett gemeinte Ratschlag in den „Anmerkungen zu den Stücken“ überfordert beim Abkupfern der technisch anspruchsvolleren Ornamentik von der CD nicht nur SchülerInnen, sondern auch ausgebildete AkkordeonpädagogInnen, wenn sie ohne einschlägige Stilerfahrungen sind. Dies ist der einzige Kritikpunkt von Belang an einer sonst vortrefflich gelungenen Ausgabe osteuropäischer Volksmusik für Standardbass-Akkordeon.
33 Stücke in progressiver Folge und in farbiger Tonartenreihung werfen dem mehr oder weniger fortgeschrittenen Akkordeonisten, der dem Standardbassmanual nicht ganz entsagen kann oder will, eine Portion hin, die den Tischspruch schwäbischer Esser erfüllt: „Wenig braucht’s nicht sein, wenn’s nur gut ist!“ Die stilistische Vielfalt aus Geschichte und Tradition verschiedener osteuropäischer Ethnien bietet viel Spielanreiz und fördert die Fantasie zum Eindringen in diese Musiklandschaften, die die beiliegende CD referenzhaft widergibt.
Ungarischer Körjáték im Fünftonraum, Klezmerstücke, Tintaroiul de Laslovat aus Rumänien, Mazedonisches, Bosnisches und Serbisches im 7/8- und 5/8-Takt gehören ebenso dazu wie zwei gesalzene Schlussnummern aus Bulgarien im 11/8-Takt. Geradtaktigem fehlt durch die Verzierungsausgestaltung nie metrische Buntheit. Die bassakkord-begleitende linke Hand wird mittels einfacher Symbolik notiert, wobei die typischen, für westliche Ohren aparten Harmonien ohne Anpassungen oder Vereinfachungen zur Geltung kommen.
Die im Einleitungstext angebotene Textunterlegung für das Dreier-Metrum – „Tschaikowsky“ – ist wegen der Betonung der zweiten Silbe nicht hilfreich. Das auf der CD Eingespielte weicht gelegentlich über alle Stilistik hinaus vom Notentext ab (z. B. Nr. 26, Takt 34, Nr. 21 bzgl. Synkopen). Tempoangaben sind im Heft nur spärlich aus den sonst informativen Schluss-Anmerkungen zu erfahren; lediglich die CD löst die Temporätsel. Die mehr als reichliche Verhallung des von Merima Kljuco – von gelegentlich ungünstig platzierten Balgwechseln abgesehen – beispielhaft eingespielten Akkordeons macht das Erkennen schwierigerer Ornamente, die ja bei Weitem nicht nur aus Sekundintervallen gebildet sind, nicht leichter. Die oft klarinettenwurzelnden Verzierungen der Melodiebasen charakterisieren jedoch wesentlich diese Musik.
Der Anleitungsmangel diesbezüglich wäre sicherlich auszugleichen, wenn dem 72-seitigen Heft ein Bogen eingelegt werden könnte, der eine Einführung in das Ornamentieren am Notenbeispiel bestimmter Melodiefragmente enthält. Die zeitliche Zuordnung wäre dann der CD zu entnehmen. Diese akkordeontypische Volksmusik ist so entzückend, dass man melodische Mehrstimmigkeit weder erwartet noch vermisst. Schon die CD ist den Preis für alles wert!
Maximilian Schnurrer