Peitz, Martin
Ein Haus, das man hören kann
Das „House of Pop“ der Dortmunder Musikschule als Teil einer zeitgemäßen Musikschularbeit
Was muss eine öffentliche Musikschule tun, um ein umfassendes und zeitgemäßes Konzept für die Schwerpunkte Pop und Jazz zu entwickeln? Welche Inhalte gehören heutzutage dazu, welche Unterrichtsformen sind sinnvoll und wie sollten Lehrkräfte aufgestellt sein, um als Aushängeschilder für genau diese Richtungen fungieren zu können? In Dortmund haben wir uns genau diese Fragen gestellt und daraufhin ein „House of Pop“ gegründet, das die richtigen Antworten liefern soll.
Zugegeben, wer in Dortmund den Namen „House of Pop“ zum ersten Mal hört oder liest, stellt sich vermutlich ein Gebäude vor, das in einem der zwölf Stadtbezirke steht. Als richtiges Haus im wörtlichen Sinne kann man unser „House of Pop“ tatsächlich (noch) nicht bezeichnen. Und trotzdem steht es nicht leer, sondern wird kontinuierlich mit Leben gefüllt. Dieses im Jahr 2018 konzipierte „immaterielle Haus“ lässt sich zunächst vor allem als organisatorisches Gebilde beschreiben, in dem alle Unterrichtskonzepte für Pop, Rock, Jazz, Singer/Songwriter, World Music, elektronische Musik, Hip-Hop usw. gebündelt werden.
Wesentliche Teile seiner Geschichte reichen aber noch weiter zurück: 1996 wurde in Gedenken an den Jazzmusiker und Musikpädagogen Rainer „Glen“ Buschmann die „Glen Buschmann Jazz Akademie“ als eigenständiger Bereich innerhalb der Musikschule Dortmund gegründet, um vor allem junge Erwachsene nach bestandener Eignungsprüfung durch die Kombination verschiedener Unterrichtsfächer optimal auf ein Jazz-Studium an einer Musikhochschule vorbereiten zu können. Dreizehn Jahre Später wurde dann im Rahmen einer Kooperation zwischen Musikschule, Jugendamt und Kulturbüro die Pop School ins Leben gerufen. Ziel war es, Kinder und Jugendliche fundiert an Popularmusik und Popkultur heranzuführen.
Erwartungsgemäß kam es in den darauffolgenden Jahren immer wieder zu Überschneidungen, Unschärfen und Lücken in beiden Bereichen. So waren beispielsweise die Ausbildungsgänge der Jazz Akademie genauso wenig auf Kinder mit einer besonderen Affinität für Jazzmusik ausgerichtet wie die Unterrichtsangebote der Pop School für die Vorbereitung auf ein Hochschulstudium im Fachgebiet Popularmusik geeignet.
Um einerseits sinnvolle Musikschulstrukturen für den Jazz- und Popbereich zu schaffen und andererseits neueste musikalische Entwicklungen aufnehmen und berücksichtigen zu können, entstand schließlich die Idee, ein „House of Pop“ als gemeinsames Dach für die Säulen Jazz Akademie und Pop School zu entwickeln, in dem alle populären Musikstile zusammenfließen. Diese Idee war zugleich die Initialzündung für eine Reihe von notwendigen Veränderungen und Entwicklungen.
Umbau der Jazz Akademie
In den 25 Jahren seit ihrer Gründung hat sich die „Glen Buschmann Jazz Akademie“ das Renommee eines in Nordrhein-Westfalen und Deutschland viel beachteten Unterrichtskonzepts erworben und mehrere namhafte JazzmusikerInnen ausgebildet und hervorgebracht. Trotz oder gerade wegen dieser erfolgreichen und etablierten Ausbildungsgänge ist nach außen offensichtlich häufig der falsche Eindruck entstanden, dass Jazz in der Musikschule immer automatisch mit Aufnahmeprüfung, Abschlusszeugnis und einem hohen Leistungsniveau verbunden ist.
Um dem entgegenzuwirken und gleichzeitig ein Fundament zu schaffen, von dem aus unabhängig von Stilrichtungen, Spielniveau oder Alter der Weg einer musikalischen Bildung beginnen kann, führten wir ein neues Unterrichtsangebot namens „Pop & Jazz Basics“ ein. Im Einzel- oder Gruppenunterricht haben Kinder, Jugendliche und Erwachsene dort die Möglichkeit, Schwerpunkte zu wählen und gemeinsam mit der jeweiligen Lehrkraft Richtungen und Ziele auszuloten, die dann zwar auch in einem der intensiveren Ausbildungsgänge münden können, aber eben nicht müssen.
Darüber hinaus erweitert ein individuelles Förderkonzept unter dem Namen „Junge Jazz Akademie“ unser Unterrichtsportfolio. Besonders jazzaffine Kinder und Jugendliche können sich ohne Leistungsdruck in Instrumentalunterricht, Vokalunterricht, Musiktheorie und Ensemble ausprobieren. Ein kurzes Einstufungsvorspiel ist dabei zwar Voraussetzung, um die SchülerInnen in die für sie geeigneten Ensembles und Theoriekurse integrieren zu können, aber kein Faktor, der grundsätzlich über die Zulassung zum Unterricht entscheidet.
In der Jazz Akademie wurde der Anteil der „jugendlichen“ SchülerInnen durch dieses neue Konzept in kürzester Zeit von 30 auf 60 Prozent erhöht und so für eine deutliche Verjüngung der Akademieabteilung gesorgt. Zudem findet das Unterrichtsangebot der Jazz Akademie zunehmend auch Anklang bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund der ersten, zweiten und dritten Generation aus verschiedenen Ländern.
Baustelle Pop School
Als größere Baustelle erwies sich jedoch die Pop School, der auch zehn Jahre nach ihrer Gründung noch die Profilschärfe fehlte, um nach außen als wichtiger Teil einer der größten Musikschulen Deutschlands sichtbar werden zu können. Neben der Einführung des bereits erwähnten Angebots „Pop & Jazz Basics“ waren und sind für eine bessere Wahrnehmung dieses Bereichs verschiedene Schritte notwendig: Als Pendant zu den auf ein Studium vorbereitenden Angeboten der Jazz Akademie haben wir unter den Bezeichnungen „Pop School Advanced“ (nach bestandener Aufnahmeprüfung wöchentlich 75 Minuten Hauptfach, 30 Minuten Pflichtfach, 90 Minuten Theorie, 90 Minuten Ensemble) „Pop School Reduced Class“ (nach bestandener Aufnahmeprüfung wöchentlich 45 Minuten Hauptfach, 90 Minuten Theorie, 90 Minuten Ensemble) und „Pop School Masterclass“ (nach abgeschlossener Pop School Advanced-Ausbildung wöchentlich 45 Minuten Hauptfach, 90 Minuten Theorie, 90 Minuten Ensemble) verschiedene Fächerkombinationen entwickelt, die auch in Stilrichtungen wie Pop, Rock, Sing/Songwriter usw. eine tiefergehende und gleichzeitig praxisnahe Ausbildung ermöglichen.
Für weitaus wichtiger halten wir parallel dazu aber eine inhaltliche Modernisierung der Pop School. Das neu eingeführte Unterrichtsfach „Beatbox & Voice“ dient dabei als erster Vorstoß in die jugendrelevante Stilrichtung Hip-Hop, während digitale Schwerpunkte wie Remix, Musik mit Smartphones und Tablets, Musikproduktion, Home Recording, Sound Design und elektronische Musik mittlerweile stil- und altersübergreifend eine wesentliche Rolle spielen und aus unserer Sicht auch in den Angebotsstrukturen einer zeitgemäß agierenden Musikschule zu finden sein sollten.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2023.