Hanselmann, Jürg

Eisenbahnstücke

für Klavier, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Nepomuk, Aarau 2007
erschienen in: üben & musizieren 5/2007 , Seite 61

Stellen wir uns vor: Im Schaufenster einer Musikalienhandlung entdeckt die interessierte Pianistin oder Klavierpädagogin das vorliegende Œuvre von Jürg Hanselmann. Auf der Titelseite eine poppige Lokomotive, durch die Kurve über eine Brücke schnaubend, Wolkenkratzer im Hintergrund. Dampf quillt aus den Schornsteinen. Eine Notenneuerscheinung speziell für Kinder? Auch heute träumen kleine Knaben noch immer vom Beruf des Lokomotivführers. Wer dann in den Noten blättert, ist verwundert: Hier findet man pianistisches Virtuosenmaterial, mit allen technischen Hexenkünsten gewaschen.
Die in Stichpunkten aufgeführte Vita des Schweizer Komponisten und Pianisten klärt das Missverständnis auf. Ihn faszinierten „Musik und Eisenbahn … schon seit früher Kindheit“. Eine Faszination, die diese sechs musikalischen Imaginationen historisch bedeutsamer Eisenbahntypen inspirierte. Die musikalische Charakteristik von Tigerli, Toy Train und anderen versucht Hanselmann durch Erläuterung technischer Details der Schienenveteranen wie auch des nationalen und historischen Backgrounds verständlich zu machen. Honeggers Sinfonische Sätze Pacific 231 drängen sich als Vergleich auf, schmälern jedoch keinesfalls die kompositorische Individualität Hanselmanns.
Über die Dimension angestrebter Imitation hinaus – auf der ganzen Bandbreite von Rhythmik, Tempi und Dynamik – bezaubern Hanselmanns Eisenbahnstücke allesamt durch einen Hauch von Witz und Humor. Entsprechend prickelnd ist die pianistische Umsetzung mit schnellen, teils chromatischen Akkordrückungen, Staccatisprüngen, synkopierten Bässen, glitzerndem Miniskalen- und Figurenspiel. Rundum ein pralles Spielvergnügen, dessen technische Finessen und Schwierigkeiten jedoch auch für ausgebuffte PianistInnen einigen Übeaufwand erfordern dürften.
Wer aber beispielsweise seinen Klavierabend mit einem Überraschungscoup beenden oder eine pfiffige Zugabenummer zünden möchte, ist mit der Toccatenpracht eines Mikado 1244 oder der stampfenden Wucht eines Krokodil-Boogie bestens beraten.
Margret Lejeune