Leiner, Jakob
Entdecke die Klassische Musik
Es ist ein ehrbares Anliegen, Kindern die klassische Musik nahezubringen. Gerade in einer Zeit, in der sie nicht mehr so selbstverständlich und so umfassend gelehrt wird, trägt man gewiss keine Eulen nach Athen. Fragen muss man sich, welche Altersgruppe der Autor und sein Verlag im Blick haben. „Ab 7“, sagt die Verlagshomepage, was wegen des überwiegend einfachen Zungenschlags, mit dem Jakob Leiner seine LeserInnen direkt anspricht, irgendwie passt (abgesehen von gelegentlich etwas umständlichen Wendungen wie „formvollendete Art“).
Genre-Abgrenzungen, Instrumentengruppen oder Konzertbesuch sind leicht verständlich dargestellt. Allerdings behindern immer wieder Einschübe in Klammern den Lesefluss. Das mag ein Stilelement des Autors sein, das für Erwachsene problemlos ist, aber für Kinder bleibt es auch beim Vorlesen schwierig. Hinter manche Auskünfte möchte man ein Fragezeichen setzen. Dass „klassische Musik“ nicht nur Klassik umfasst, sondern auch alle anderen Epochen, ist ein wichtiger Hinweis, wobei Leiner diese Epochen dann etwas hoppla-hopp abhandelt. Aber stimmt es, dass klassische Musik „nie langweilig“ wird? Dass sie „lange gültig ist“, also „lange hält“? Es gibt doch auch vergessene und kreuzlangweilige Stücke. Gehört „Neue Musik“ noch zur klassischen Musik? Die Komplexität dieser Frage deutet er an, da er die Impressionisten bereits einbezieht und bis zu John Cage voranschreitet. Aber wo liegen die Grenzen zur Geräuschkunst?
„Wenn ein Komponist Musik für ein Orchester schreiben möchte, komponiert er eine ‚Sinfonie‘“, steht auf Seite 25. Hätte der Autor „oft“ eingefügt, ginge der Satz stolperfreier durch. Bei Mozart, so heißt es, „werdet ihr euch bestimmt sehr schnell ruhig und entspannt fühlen“. Das hört sich zu klischeehaft, zu pauschal und ein wenig nach esoterischer Entspannungsmethode an. Der Autor empfiehlt, selbst vorm Spiegel das Dirigieren zu üben. Im Ernst: So einfach ist es trotz Leiners Erklärungen doch nicht, selbst wenn klassikbegeisterte Kinder gern vor CDs mit den Armen fuchteln.
Bach, Mozart, Beethoven, Schumann und Strawinsky stellt das Büchlein eigens vor, sozusagen als Epochenvertreter. Leiner weiß selbst, dass dies auf Beethoven nicht wirklich zutrifft. Strawinsky reduziert er leider im Wesentlichen auf Le Sacre du Printemps und Schumann „konnte am Ende seines Lebens sogar nicht einmal mehr verständlich reden“. Was kann ein Kind damit anfangen? Wenn man sich und seinem jungen Leserkreis die ganze Tragödie Schumanns ersparen will, hilft einem dieser versteckte Hinweis nicht.
Rundum kann das schmale Bändchen mit seinen einfachen Schwarz-weiß-Zeichnungen nicht überzeugen. Auch in der Aufmachung wirkt es etwas mager, weshalb knapp elf Euro für das bisschen Buch ein stolzer Preis sind.
Roland Mörchen