Simon, Jürgen

Es ist doch noch nie was passiert!

An vielen Musikschulen fühlt sich niemand für den Brandschutz verantwortlich

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 4/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 08

Große Brände, bei denen Menschen zu Schaden kommen, sind in Deutschland glücklicherweise eher selten. Damit dies so bleibt, darf das Thema Brandschutz nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Im Artikel „Brandschutz in der Musikschule“ von Rainer Sonntag werden die Erfordernisse, die an Musikschulen gestellt werden, genau aufgelistet. Während bei den öffentlichen Musikschulen in der Regel die Kommunen für die technische Ausstattung verantwortlich sind, müssen sich die Betreiber privater Musikschulen selbst mit diesem Thema auseinandersetzen. Das ist oft nicht einfach, da die Erfordernisse nicht nur von der Größe und Art des Gebäudes, sondern auch von der Anzahl der Menschen, die sich im jeweiligen Gebäude befinden, abhängen. Problematisch ist es, wenn Musikschulen in Räumen, die dafür nicht ausgelegt sind, untergebracht werden. Eine große Wohnung, die preiswert und gut gelegen ist, hat eben im Allgemeinen keinen baulich separaten zweiten Rettungsweg. Je nachdem, wie viele Schülerinnen und Schüler sich in der Wohnung befinden, kann dies bereits einen Verstoß gegen die Brandschutzbestimmungen darstellen. Und vor allem kann es bei einem Brand lebensbedrohlich sein!

Veranstaltungen

Schwierig wird die Situation bei Konzerten und Vorspielen. Wenn nur ein Dutzend Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrkräften, den Eltern und Geschwistern in einem Raum versammelt sind, kann es im Falle eines Brandes schwer bis unmöglich werden, alle Personen rechtzeitig sicher ins Freie zu bringen.
Dieser Punkt betrifft auch größere und auch öffentliche Musikschulen. Die meisten LehrerInnen freuen sich, wenn ihre Schülervorspiele aus allen Nähten platzen. Dann werden schnell noch ein paar Stühle aus den Nachbarräumen geholt. Die lebenswichtige Frage, ob der jeweilige Raum überhaupt für die Benutzung durch so viele Personen zugelassen ist, stellt sich dabei niemand. Wer sollte diese Aufgabe auch übernehmen? Vorspiele und Konzerte werden meistens in Eigenverantwortung durch die Lehrkräfte organisiert. Ein Raum wird reserviert, Einladungen verschickt, Programme gedruckt – aber niemand ist für die Sicherheit verantwortlich.

Organisierte ­Verantwortungslosigkeit

Dabei sind die Schwierigkeiten zum großen Teil durch die Organisationsformen, in die Musikunterricht zunehmend gezwängt wird, bedingt. Musikschulen werden in immer größerem Umfang mit freien Mitarbeitern ausgestattet. Unterrichtszeiten und -räume können frei vereinbart werden. Oft gibt es im ganzen Musikschulgebäude niemanden, der weiß, wer sich gerade wo im Gebäude befindet. Da der Musikschulbetrieb mit freien Mitarbeitern erheblich billiger ist, wird auch streng darauf geachtet, dass dieser Status nicht gefährdet wird.
Eine Kernvoraussetzung dafür ist, dass die Lehrkräfte ausdrücklich nicht in den Betrieb eingebunden sind, weil sonst womöglich eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. (In Berlin wurden extra zu diesem Zweck im vergangenen Jahr sämtliche Honorarverträge gekündigt und durch neue ersetzt.) Darum ist es auch nicht möglich, diese Lehrkräfte als Brandschutzhelfer auszubilden. Selbst die regelmäßige Teilnahme an Brandschutzübungen kann so natürlich nicht gelingen, da niemand verpflichtet werden kann, daran teilzunehmen. Wenn aber die LehrerInnen nicht wissen, was im Falle eines Brandes zu tun ist, wie sollen sie dann für die Sicherheit der ihnen anvertrauten Kinder sorgen?

Problemfall Kooperation

Die gleichen Probleme bestehen häufig auch bei Kooperationen mit allgemein bildenden Schulen. Auch hier wird in der Regel peinlich genau darauf geachtet, dass die Musikschullehrer unter keinen Umständen in den regulären Schulbetrieb eingebunden sind, um jegliche Ansprüche auf eine Festanstellung von vornherein auszuschließen.
Das Ergebnis ist, dass wohl nur die wenigsten Musikschullehrkräfte, die in einer Kooperation arbeiten, jemals an einer Brand­schutzübung oder einer Sicherheitsunterweisung teilgenommen haben. Auch sie wissen im Ernstfall nicht, wie sie sich verhalten sollen. Sie wissen auch nicht, wo die Sammelplätze für ihre Schüler sind, und erschweren damit der Feuerwehr unnötig die Arbeit, weil unter Umständen nicht klar ist, wo sie sich mit ihren Kindern befinden und ob sie das Gebäude überhaupt verlassen haben.
So könnte sich das Sparen mit Honorarkräften leicht einmal als tödliche Falle erweisen. Alle Verantwortlichen sollten sich gut überlegen, was ihnen die Sicherheit der Schüler wert ist und wie sie optimal gewährleistet werden kann. Das Motto „Es ist doch noch nie was passiert!“ ist sicher keine Lösung.