Grigorian, Levon
Etüdenschule für Violoncello
3 Bände
An Violoncelloschulen herrscht kein Mangel, an Etüdensammlungen für Cello ebenso wenig, wiewohl, hier sei’s geklagt, im Sortiment ein überzeugender Kompromiss fehlt zwischen verschiedenen neu publizierten, auf Kinder im Grundschulalter zugeschnittenen Schulen und einigen seit langem gebräuchlichen Unterrichtswerken, deren altbackener Gestus einen flächendeckenden Einsatz in der Altersgruppe zwischen 10 und 18 nahezu unmöglich macht. Abgesehen von diesem Missstand wurde erstaunlich selten der Versuch unternommen, die klassische Zweiteilung zwischen Schule und Etüden aufzuheben zugunsten einer Form, in der knappe, prägnante Übungsstücke so systematisch hintereinander geschaltet sind, dass sie das Spektrum einer Schule (Einführung neuer Lagen, Lagenwechsel, Stricharten etc.) nahezu komplett abdecken.
Eine solche Etüdenschule hat der russische Cellopädagoge Levon Grigorian (1915-1997) publiziert und dank der Bemühungen seines Sohnes, des seit 1994 in Deutschland lebenden Cellisten David Grigorian, liegt dieses lange vergriffene Unterrichtswerk nun erfreulicherweise in einer deutsch-englischen Neuausgabe vor. Auch Grigorians Etüdenschule vermag die Lücke einer ansprechenden, zeitgemäßen Schule für Kinder und Jugendliche nicht zu füllen, doch zweifellos enthält das dreibändige Werk wertvolles und effizientes Übematerial: Band 1 behandelt die Grundstricharten, die 1. Lage mit ihren Griffarten sowie die Lagen 2 bis 4 (klassischerweise in der Reihenfolge 4, 2, 3). In Band 2 wird der Tonumfang bis zur zentralen Daumenlage (Daumen auf Oktavflageolett) erweitert, verschiedene Stricharten wie Spiccato und Staccato kommen hinzu. Band 3 bringt eine nochmalige Erweiterung des Lagenspektrums (bis in die oberen und unteren Daumenlagen) sowie die Behandlung weiterer „Künste“ wie Sautillé, Flageolett, Pizzicati mit der linken Hand.
Was fehlt, sind zwei Elemente, die mit Blick auf die heutige Unterrichtspraxis unverzichtbar sind, um in besagter Altersgruppe immer wieder das Gefühl hervorzurufen, etwas Schönes und zugleich „Cooles“ zu tun: bekannte, dem Instrument angemessene und adäquat arrangierte klassische Melodien sowie Anklänge an Jazziges und Poppiges – wiewohl Letzteres freilich kaum erwartet werden darf von einem Werk, das 1978 in der damaligen Sowjetunion veröffentlicht wurde. Ansonsten sei Grigorians Etüdenschule durchaus empfohlen, sie enthält eine Fülle gut komponierter, melodisch eingängiger Kurz-Etüden.
Die Neuausgabe bietet über den Notentext und Kurzbeschreibungen der Etüden hinaus eine durchgehende Symbolsprache, die die Zuordnung jeder Etüde zu bestimmten Kapiteln der Cellotechnik erleichtert. Außerdem finden sich Literaturempfehlungen zur Nutzanwendung der jeweiligen Etüde – wobei überraschenderweise alle genannten Werke via Internet oder Hotline bei Varner bestellbar sind.
Gerhard Anders