Göstl, Robert
Faszination Kinderchor
Inspirieren – Klang formen – Zukunft gestalten
Das übersichtlich und quasi enzyklopädisch strukturierte Lehrwerk wird allen Facetten einer zeitgemäßen Kinderchorpraxis gerecht. Der Inhalt reicht von den äußeren Rahmenbedingungen über die unabdingbaren Voraussetzungen der chorleitenden Persönlichkeit bis zu stimmphysiologischen Kenntnissen und Fragen der Methodik einschließlich einer Einschätzung solmisationsgestützter Vermittlungstechniken im Vergleich zu absoluten Methoden des Blattsingens. Die Probengestaltung und die spezielle Dirigiertechnik bei Proben und Aufführungen mit einem Kinderchor werden dezidiert angesprochen – und nicht zuletzt auch Aktivitäten „um den Kinderchor herum“ (Freizeiten, Chorfahrten, Feste, Ausflüge), die für die „Chortreue“ eine große Rolle spielen.
Für den Verfasser ist die Arbeit im Kinderchor immer wieder eine neue Inspiration im menschlich-musikalischen Bereich, die er detailliert verifiziert und damit die LeserInnen aus immer wieder neuem Blickwinkel motiviert, das, was der Autor Faszination nennt, zu verstehen und sich von dessen Empathie anstecken zu lassen. Die Formung des Klangs ist für ihn eine sich gegenseitig bedingende Funktionsvielfalt von chorleiterischer Souveränität, pädagogischem Wissen und Geschick gepaart mit Spontanität und einem Fundus an Übungen im stimmbildnerischen, aber auch stimmentwickelnden Sinne und eine weltanschauliche Grundhaltung, die Chorarbeit insgesamt und hier besonders mit Heranwachsenden als eine zutiefst humane Aufgabe versteht.
So ergibt sich aus all dem quasi als Resümee die Perspektive, durch verantwortungsvolle und ästhetisch gültige Chorarbeit Zukunft zu gestalten – in jeder wöchentlichen Chorprobe, auf Reisen, Konzerten und im Miteinander von Eltern sowie mit einem Blick über den Zaun, um Kooperationen, wo immer sie sich anbieten, aufzugreifen. Singen im allgemeinen Sinne bildet die unbestrittene Grundlage allen musikalischen Verstehens und die beste Art, Musik am eigenen Körper zu erfahren und ihre menschlich verbinde Kraft zu erleben.
Es sei daran erinnert, dass „Singen mit Kindern“ als Herausforderung der Musikdidaktik und auch als Lehr- und Lernfach an verschiedenen Hochschulen gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts noch keine Selbstverständlichkeit war – und es war Robert Göstl, der seinerzeit (1996) mit seinem Buch Singen mit Kindern einen wichtigen Impuls zur Entwicklung dieses Fachgebiets gesetzt hat.
So ist dem Autor vergleichbar seinem in zwei Bänden erschienenen Chorleitfaden eine überzeugende Ergänzung hin zu den Wurzeln des Chorsingens gelungen, mit der allen, die bereits mit Kindern chorisch arbeiten oder es vorhaben, ein nachhaltiges Fundament an die Hand gegeben ist, entsprechend dem Motto auf Seite 152: „Wir nehmen den ganzen Menschen wahr und wir nehmen ihn in seinem Wesen an.“
Thomas Holland-Moritz