Fellow, Thomas

FellowGuitarBook

Harmonielehre und moderne Liedbegleitung für Gitarre, mit CD und DVD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2009
erschienen in: üben & musizieren 4/2010 , Seite 61

Ein richtiger Wälzer: 288 Seiten, sehr schwer und mit doppelten Hilfs- und Appetitmachmitteln – eine CD mit an die hundert Musikbeispielen und eine DVD mit Technik- und Musikvideos aus drei Kameraperspektiven. Diese zu sehen ist ein Vergnügen: Ich war mit dem sympathischen Autor mental gleich per Du und habe in mich aufgesogen, was mir Thomas da alles an Techniken und Tricks auf der Gitarre zeigt. „So möchte ich auch spielen können!“, wird es da manchem Gitarristen durch den Kopf fahren. Die gute Nachricht: Mit den ausführlichen und praxisorientierten Beispielen und Übungen im FellowGuitarBook ist es möglich, diese Begleittechniken auch wirklich zu lernen. Auf der anderen Seite braucht es natürlich Standvermögen, sich durch den Dschungel der Übemöglichkeiten zu kämpfen.
Über Jahrhunderte war es selbstverständlich, dass der Virtuose auf einem Continuo-Instrument in der Fähigkeit des variablen Begleitens geschult war. Für Pianisten wird diese Tradition durch das Studienfach Korrepetition weitergeführt. Sowohl in der Ausbildung als auch beim Lehrmaterial fehlt diese Tradition für die Gitarre. Hier setzt Fellow an und möchte mit dem FellowGuitarBook den Weg zu einem komplexen und variablen Spiel als solistischer Begleiter zeigen. Sein Lehrweg verbindet Theorie und Praxis: keine musiktheoretischen Darlegungen ohne ihre Umsetzung auf der Gitarre. Um z. B. deutlich und erfahrbar zu machen, dass verschiedene Stellungen desselben Dreiklangs recht unterschiedliche Klangwirkungen hervorrufen, notiert er folgende Übung: Die Melodie (Happy Birthday) wird einstimmig gesungen und zunächst nicht begleitet und an einer Stelle die Harmonie mit einem voicing jeweils in Grund-, Terz- und Quintstellung gespielt, um die unterschiedlichen Klangwirkungen hör- und erfahrbar zu machen.
Sehr angenehm ist, dass Fellow nicht zwischen Jazztheorie und klasischer Musiktheorie unterscheidet, sondern einen Weg findet, den Lernenden theoretische Zusammenhänge praxis- und damit spielgerecht näher zu bringen, ohne dass die Frage nach einer Einordnung in Jazz oder Klassik aufkommt.
Spätestens wenn man einen größeren Teil des Buchs durchgearbeitet hat, empfiehlt Fellow unbedingt mit einer Sängerin oder einem Soloinstrument zusammenzuarbeiten. Wieweit man das Handwerk des Begleitens gelernt hat, wird sich dann zeigen, wenn die Anforderung lautet: „Ich will dieses Stück in dieser Tonart singen, hier ist die Akkordfolge“ oder „Hier ist die Klavierbegleitung“.
Hier macht es sich bezahlt, dass Fellow nicht fertige Lösungen präsentiert, sondern verschiedene Möglichkeiten zur Begleitung aufzeigt und das letztendliche Begleitarrengement der „schlussfolgernden Fantasie“ des Lernenden überlässt. Gelingt es dann, das Stück mithilfe der gelernten Techniken und des theoretischen Rüstzeugs für die Gitarre zu arrangieren, dann hat man das Lernziel erreicht. Es lohnt sich, diesen Versuch zu unternehmen!
Ulrich Christoph Müller