Rausenberger, Volker
Fingerzirkus
Bewegungs- und Koordinations-Spiele für Akkordeon mit MIII, Schülerheft (Lehrerheft zum Download)
Der erste Schritt wäre gemacht, wenn der Fingerzirkus von Volker Rausenberger zu einem Etüdenheft für AkkordeonschülerInnen im Vor- und Grundschulalter ausgearbeitet würde. Außer einem neugierig machenden Cover stoßen die kleinen SchülerInnen nämlich nur auf Seiten voller kleiner Buchstaben und Pfeile, tabellenartig verteilt, mit dem kleinen Trost von sieben Tierchen als Blickfang, auf jedem Blatt eines. Die Aufmachung (mit Datumsspalte) hätte zwar eine Rechtfertigung als Hausaufgabenheft, erfüllt jedoch nicht, was „Zirkus“ für Fünf- bis Zehnjährige suggeriert.
Diesen Äußerlichkeiten entspricht in gewisser Weise auch das inhaltliche Konzept. Die Notwendigkeit einer „bewegungsorientierten Instrumentalpädagogik“ bedarf der Kunst des Autors, aus einer bewegungsorientierten Grundsystematik ein Heft zu zaubern, das statt erwachsenenbezogenem Durcharbeiten zu einem kindgemäßen Durchspielen anregt. Auf einem Musikinstrument, noch dazu auf dem ziemlich kompakt am Körper sitzenden Akkordeon, Bewegungen ohne die geringsten musikalischen Aussagen zu vollführen, und dies während eines Viertels der Unterrichtszeit samt dem entsprechenden Übeaufwand, bedarf Motivationsarten, die nur indirekt mit dem Ziel instrumentalen Übens (nämlich Musizieren zu können) zu tun haben: Pflicht (negative Motivation) oder dem Lehrer zu gefallen (indirekte Motivation) dürften der hauptsächlich Impuls sein. (Immerhin weist der Autor auf eine etwa dreijährige Unterrichtserfahrung mit dieser Methode hin.) Tiere lediglich mit Fingern bzw. Akkordeontasten zu „spielen“, ohne Mimik, Ganzkörperbewegung und stimmliche Imitation, nur runenhaft aus Tonanordnungsbedingtheiten: Solche einschränkenden Festlegungen können über einen Novitätseffekt hinaus nicht lustvoll sein.
Die mit Bewegungsrichtungs- oder Orientierungsbezeichnungen (z. B. „Kreuzkrebs – Schrittkrebs“, „Raupe auf schwarzen Tasten“) sowie faunaweltfremden Geschehnissen („Pinguin trifft Raupe“, „Schrägspinne trifft den Krebs“) vermixten Tieranimationen sind nicht nur begrifflich zu kompliziert; ihre gut gemeinten Assoziationen vermögen die kindliche Welt nicht zu besetzen, im Alter von „ungefähr“ zwölf Jahren (wie im Lehrerheft angegeben) ohnehin längst nicht mehr. Das Lehrerheft enthält kaum Hinweise zur Durchführung der Bewegungen, z. B. ob rechts mit oder ohne initiierenden Einsatz des Handgelenks, insbesondere bei den Einfingerfortschreitungen. Übungen mit Fingerspreizungen haben nur unwesentlichen Anteil. Um Spielfertigkeiten zu erwerben, sollten Bewegungsabläufe zur Konditionierung der Finger und der Hand vor den zur Orientierung auf den Manualen erfolgenden Fingerbewegungen Vorrang haben.
Wertvoll sind insbesondere die Teile mit koordinatorischen Aufgaben zwischen rechts und links (z. B. verschiedene Artikulationsarten). Die unterlegten Texte, die sich wegen der meist nicht singbaren Tonfolgen eher zum Sprechen eignen, spreizen sich mehrmals gegen die Metrik. Ohne das Lehrerheft ist übrigens der Schülerband nicht zu verwenden; kostenlose Mitlieferung „auf Wunsch“, wie im Schülerheft vermerkt, ist deshalb Unsinn.
Die Idee des Instrumentalbeginns ohne Noten hat ihren Reiz und wäre als „Fingerzirkus“ durchführbar, wenn aus dieser vom Autor im Vorwort zum Schülerheft angesprochenen „Grundlage“ musikalisch angehauchte formale Ganzheiten gebildet würden (z. B. durch einfache Rhythmisierung, liegenden Bordun im anderen Manual, Initium, Schlussfloskel). Bei kürzeren Einheiten könnten die beabsichtigten Bewegungsmuster dabei im Kern erhalten bleiben. Es wäre leicht, diese Mini-Etüden bewegungsbezogen auswendig zu lernen. Zu empfehlen ist der Fingerzirkus als Material zur eigenständigen Unterrichtsaufbereitung durch den Lehrer.
Maximilian Schnurrer