Krol, Bernhard

Florians Bilderbuch

Miniaturen für Klavier op. 185

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Wolfgang G. Haas, Köln 2009
erschienen in: üben & musizieren 5/2009 , Seite 59

Der Ton macht bekanntlich die Musik. In manchen Fällen braucht es eine Menge an Verständnis, die Musik hinter ihm zu verstehen. Und so schwebt auch manche Komposition ein wenig verkleidet, gleich einem Wölfchen im Schafspelz heran. Oder umgekehrt. Zwei Neuerscheinungen für Klavier haben sich so gewissermaßen verkleidet und benötigen den zweiten Blick, das Hintergrundverständnis, das ab hier auch Hintergrundwissen heißen möge, und eine gute Portion Humor – aber die hat ja auch in musikalischen Dingen noch nie geschadet!
Und so schauen wir in Bernhard Krols Miniaturen für Klavier, vom Verlag auf dem Einband auch in der Rubrik „Keyboard“ mit angeführt, assoziieren beim Titel “Florians Bilderbuch” den pianistischen Anfänger, der sich mit vor Aufregung roten Wangen in die ersten Töne auf seinem neuen Instrument stürzt und hier ein kleines Debakel erleben dürfte, denn ein echter Anfänger darf er nicht sein, will er Erfolg im Einstudieren der kompositorisch im guten alten, etwas trockenen Klavierschulenstil gearbeiteten, dabei erfreulich klangschönen Stücke haben; ein Können in etwa auf dem Level des Klavierbüchleins für Anna Magdalena Bach ist hier für den Beginn mit der Auseinandersetzung kein Schaden.
Im unprätentiösen Vorwort rät Krol, den Stücken eigene Überschriften zu geben und somit das Heft zum eigenen Bilderbuch zu machen (warum dann der Titel? Konsequenterweise hätte man dann auch den Namen auslassen können zwecks individuellen Ausfüllens!). Dieser Ansatz ist sicher kreativ und ermöglicht über das Spielen der Musik hinaus den tiefer gehenden interpretatorischen Zugang für junge SpielerInnen, insbesondere, da der Komponist auf dynamische Eintragungen, Fingersätze, Satz- und Tempobezeichnungen verzichtet und so die eigene Auseinandersetzung mit den musikalisch stets schlüssigen Feinheiten initiiert.
Aber gemessen an dem Stand, den ein Schüler haben müsste, ist es fraglich, ob er einen Zugang zur „Bilderbuchebene“ findet. Dies bleibe dem geschickten Klavierpädagogen überlassen, der diesen Band als sinnvolle Zusatzliteratur für die Heranführung zu polyfonen Spieltechniken, Legatospiel, dem zuhörenden und mitdenkenden Spiel fernab jeder Popnähe wählt. Das vom Verlag zugedachte Keyboard sollte er dabei nicht verwenden.
Eine gehörige Portion Humor und ebenso Spieltechnik und pianistisches Können sollte man haben, wendet man sich den harmlos daher schwimmenden Variationen für Klavier über Alle meine Entchen von Markus W. Kropp zu. Der Schüler oder die Schülerin sollte schon eine recht große Hand haben, genug Wissen, Technik und Fähigkeiten, sich in allen Lagen, engen und weiten Sätzen, polyfonen Ansätzen und musikalisch vielfältigen Temperamenten zu Hause zu fühlen und so weit über den Dingen stehen, dass er oder sie den feinen Humor hinter den nicht übermäßig originellen, aber solide komponierten Variationen über das Kinderlied zu schätzen weiß.
Dieser Variationszyklus ist ein nettes Vortragswerk, bei dem man auch ein wenig am Klavier schauspielern darf, wenn dann zum Schluss nach zahlreichen variationstypischen Verwerfungen die Hauptmelodie vorbeispaziert, als sei nichts geschehen! Warum Kropp indes diese Komposition ausdrücklich der neuen Musik widmet, bleibt rätselhaft; oder spielt er hier ein Eulenspiegel-Kabinettstückchen?
Christina Humenberger