Angebrandt, Kristin

Fröhliche Stimmung, (zu) viele Instrumente

Beobachtungen aus dem JeKi-Unterricht im Ruhrgebiet

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 18

Was “JeKi” ist, muss wohl keiner Instrumental­lehrkraft mehr erläutert werden. Jeder weiß Bescheid, alle reden mit. Über konkrete Unter­richts­erfahrungen in diesem Bereich verfügt jedoch naturgemäß nur ein Teil der Lehrer­schaft. Unsere Autorin erhielt während eines Praktikums intensive Einblicke in unter­schied­liche Formen von JeKi-Unterricht. Einige Beobachtungen aus dem Zentrum des Geschehens.

Ich sitze auf einem kleinen Holzstuhl im hinteren Bereich des großen Raums. Vor mir 25 sechsjährige Kinder, die mit offenen Ohren den Worten der fremden Lehrerin lauschen und mit erwartungsvollen und glitzernden Augen den Gesten folgen. Mucksmäuschenstill ist es geworden, nachdem das Begrüßungslied verklungen ist und die Pädagogin mit einer Geschichte die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich gelenkt hat. Und auch ich in der letzten Reihe höre gespannt den Geschehnissen in der Geschichte zu. Lebhaft erzählt sie aus dem Leben des kleinen Indianerjungen Tschi Tschi Ya, der auf seinem Pferd Schneller Blitz über das Land reitet. Mit rhythmischen Schlägen zweier Klanghölzer ahmt sie das Pferdegetrappel nach.
Als die Geschichte beendet ist, werden alle Kinder ge­beten, zu einem Kreis zusammenzukommen. Auch ich komme in den Kreis dazu. Die Lehrerin fordert die Gruppe auf, bestimmte Szenen mit Geräuschen oder Gesten zu untermalen. Gemeinsam gestalten wir den Verlauf mit Stimme und Körper, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Es wird wieder still im Raum, die Lehrerin holt einen mit einem Tuch verdeckten Kasten hervor. Die Kinder beobachten gespannt das Geschehen. Sie stellt ihn in die Mitte des Kreises und fragt die Kinder, was sich darunter verbergen könnte. Keiner errät das unbekannte Objekt. Sie zieht das Tuch herunter und zum Vorschein kommt eine viereckige Holzkiste, die an einer Seite eine runde Öffnung hat. An deren gegenüberliegender Seite sind drei dünne Ketten gespannt. Die Lehrerin setzt sich auf die Kiste, die runde Öffnung nach hinten, und trommelt mit ihren Händen gegen die Holzwand mit den Ketten. Diese klirren durch die Erschütterung der Box. Das Instrument heißt Cajón.
Das Trommeln auf der Cajón ermuntert zu einem Tanz um ein imaginäres Lagerfeuer. Alle stampfen im Rhythmus des Klopfens im Kreis herum wie die Indianer um das Feuer. Anschließend darf jedes Kind für ein paar ­Minuten die Cajón ausprobieren. Bevor es zur Pause klingelt, setzen sich alle wieder an ihren Platz und schließen die Stunde mit einem kurzen Abschlusslied. Die JeKi-Stunde in der ersten Klasse der Landgrafenschule in Dortmund war erfolgreich.

Erstes Schuljahr

Im Rahmen meines Pädagogik-Studiums an der Uni­versität der Künste Berlin hospitierte ich 2009 für zwei ­Wochen bei JeKi in Dortmund. Innerhalb dieser 14 Tage konnte ich ­einen Einblick in die Arbeit der Musikschul- und Grundschullehrkräfte gewinnen und mich mit den unterschiedlichen Unterrichtsformen von JeKi vertraut machen. Ich besuchte Kurse des ersten JeKi-Jahres mit der Vorstellung von Blockflöte, Cajón, Blechblasinstrumenten und Streichinstrumenten, einen Instrumentalunterricht im zweiten Schuljahr in Violine, Akkordeon und Kombinations-Unterricht Violine, Viola und Violoncello sowie das Ensemble Kunterbunt im dritten Schuljahr.
Der Unterricht des ersten Schuljahrs fand vorzugsweise im Klassenraum der jeweiligen Klasse statt. Die Musikschullehrkraft brachte die Instrumente und Unterrichtsmaterialien mit. Jedes Kind sah begeistert zu, wie die Lehrkraft ein Instrument auspackte, um dieses dann der Klasse vorzustellen. Die Kinder konnten es kaum erwarten, es zu sehen, zu hören und in die Hand zu nehmen. Nicht immer waren alle Kinder aufmerksam, doch wie im täglichen Schulunterricht wurden sie wieder ins Unterrichtsgeschehen eingegliedert. Die Musikschullehrkraft gestaltete den Unterricht sehr abwechslungsreich; sie sang mit den Kindern, ließ sie im Raum tanzen und springen oder musizierte mit ihnen auf Haupt- und Neben­instrumenten. Teils bewusst, indem die Kinder Rhythmen nachklatschten, teils unbewusst, etwa durch Bewegungen zur Musik, lernten sie Grundparameter und musikalische Ausdrucksweisen kennen. Die Mischung aus Bewegung und Spiel im Unterricht funktionierte sehr gut; es gab Phasen der Entspannung, aber auch Phasen, in denen sich die Kinder austoben bzw. frei entfalten konnten.
Anders als beim Gruppenunterricht in der Musikschule mit etwa zehn Kindern unterrichteten die Lehrkräfte eine Klasse von bis zu 30 Schülern. Nicht immer betreuten sie im Tandem mit der Grundschullehrkraft die ­hete­ro­gene Schülerschar. Häufig wurde die fachliche Gestaltung des Unterrichts dem Musikschullehrer überlassen. Die Grundschullehrkraft dagegen widmete sich dem ­Organisatorischen. Im Gegensatz zu den theoretischen Vorgaben wurde Teamteaching nur selten als gemein­same Unterrichtsplanung und Durchführung im Sinne gleichberechtigten Partnerunterrichts verstanden. War der Fachlehrer gleichzeitig Musiklehrer, wurde die Arbeit gemeinsam durchgeführt. Erst durch gemeinsame Betreuung konnte man jedem einzelnen Schüler gerecht werden. In meiner Anwesenheit wurde ich häufig als zusätzliche Hilfskraft akquiriert. Die Musikschullehrkraft wurde von der Klasse als vollwertiger Lehrer angesehen; man sprach ihr den gleichen Respekt zu wie dem jewei­ligen Fachlehrer.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2012.