Hensel, Fanny

Frühe Französische Lieder

für Singstimme und Klavier/eingerichtet für Singstimme und Gitarre

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Furore, Kassel 2006
erschienen in: üben & musizieren 4/2006 , Seite 71

Fanny Hensel (1805-1847), die als Komponistin zeitlebens im Schatten ihres Bruders Felix Mendelssohn Bartholdy gestanden hatte, bewies schon früh kompositorisches Interesse und Geschick. Bereits im Alter von 15 Jahren begann sie mit der Komposition der heute so betitelten Frühen Französischen Lieder, die sie teilweise unter der Obhut ihres Lehrers Zelter verfasst haben muss, da sich zu einigen der Miniaturen eine zweite Fassung mit dem Zusatz „nach Professor Zelters Korrektur“ gefunden hat.
Dass ihr Bruder Felix die Werke seiner Schwester schätzte, beweist, dass er einige ihrer frühen Kompositionen unter seinem Namen veröffentlichte; auch Fannys späterer Ehemann Wilhelm Hensel schien eingenommen vom Talent der Komponistin; er veranlasste 1850 nach dem plötzlichen Tod seiner Frau gemeinsam mit Felix die Veröffentlichung ihrer Werke op. 8 bis op. 11, deren Gesamtumfang auf etwa 460 Kompositionen geschätzt wird.
Ob die jetzt von der Gitarristin und Komponistin Ulrike Merk herausgegebene und erläuterte Fassung der 18 Frühen Französischen Lieder nun als wissenschaftliches Dokument für Fanny Hensels musikalische Entwicklung oder als musikalische Sammlung von lieblich-gefälligen Kleinoden gelten mag, sei dem Betrachter selbst überlassen.
In jedem Fall liegen hier zwei akribisch aus den Originalvorlagen herausgearbeitete Fassungen vor, die zudem aufschlussreiche Erläuterungen zu Fanny Hensel und ihrem musikalischen Umfeld sowie detaillierte Anmerkungen zu den einzelnen Liedern beinhalten. Dabei legte die Herausgeberin besonderen Wert auf Authentizität, die sie sorgfältig und nach ausgiebigen Vergleichen zwischen bereits veröffentlichten Dokumenten und Reinschriften herzustellen sich bemühte. Diesen Anspruch stellte sie über heute übliche Notationsvorschriften, sodass auf Phrasierungsbögen und das Aussetzen weiterer Strophen verzichtet wurde.
Die Mehrzahl der Liedtexte stammt aus der Feder des damals geschätzten und im Hause Mendelssohn wohlbekannten Dichters Jean Pierre Claris de Florian (1755-1794). Ihre Inhalte sprechen von Sehnsucht nach Liebe und Exotik, fordern zum schäferlichen Frühlingstanz auf, erzählen von barock-empfindsamen Begebenheiten rund um die Themen Leid und Freud, Liebe und Freundschaft. Die von Fanny Hensel hinzugefügte Klavierbegleitung hält sich nur wenig differenziert an die Vorgabe der schlichten Gesangslinie, deren tonaler Umfang sich zwischen H und gis” bewegt. Die Harmonien der Begleitung halten sich an die allernächsten tonartlichen Verwandtschaften, die Lieder umschließen eine bis sieben Strophen von durchschnittlich sechs bis acht Zeilen.
Die von Ulrike Merk ausgearbeitete Gitarrenfassung hält sich ihrerseits streng an die Klaviervorlage, die die Abbildung einer Originalhandschrift Fanny Hensels beinhaltet. Reizvoll wäre sicher eine weitere Bearbeitung für Cembalo, Basso continuo und Gesang bzw. Flöte, doch auch und vor allem als Gitarrenlieder werden diese musikalischen Momentaufnahmen ihren schlichten Reiz offenbaren, wenn die Vortragende über genügend Ausdrucksmöglichkeit und Galanterie verfügt.
Kathrin Feldmann