Rolf, Christian

Fundraising für ­private Musikschulen

Dürfen private Musikschulen Fördermittel beantragen? Falls ja, welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 02

Wer sich professionell mit dem Thema Fundraising beschäftigen möchte, wird an Themen wie Gemeinnützigkeit, Zielbildung, stra­tegische Planung und Controlling nicht vorbeikommen.

Für die Umsetzung sozialer Projekte ­benötigen Musikschulen einen Plan, qualifizierte MitarbeiterInnen, eine funktionierende Verwaltung und ausreichend finanzielle Mittel. Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können soziale Projekte auf fruchtbarem Boden gedeihen und einen Mehrwert für die Gesellschaft bringen. Betrachtet man das Marktumfeld des außerschulischen Bildungssektors für Musikunterricht, wird deutlich, dass viele Musikschulen bereits mit Drittmitteln arbeiten. Andere Musikschulen wiederum verwenden keine Drittmittel.
Doch wie soll die Umsetzung sozialer Projekte gelingen, wenn die einzige Einnahme­quelle einer Musikschule Schülergebühren sind? Sofern das geplante Projekt sich nicht selbst trägt, müssen Musikschulen für die Finanzierung sorgen. Oft werden die Kosten als Werbeausgaben verbucht und erzeugen einen finanziellen Verlust. Doch warum erhalten einige Musikschulen finanzielle Zuschüsse, andere hingegen nicht?

Die Wahl der Rechtsform

Um diesen Sachverhalt nachvollziehen zu können, ist ein Blick auf die gewählte Rechtsform einer Musikschule notwendig. Denn es entscheidet nicht die pädagogische Arbeit einer Musikschule darüber, ob sie Drittmittel verwenden darf, sondern die Rechtsform. Musikschulen, die als Verein oder gemeinnützige GmbH (gGmbH) geführt werden, können in der Regel Drittmittel verwenden. Solche Musikschulen können dem Soziomarkt zugeordnet werden, da ihre Arbeit als gemeinnützig anerkannt ist.
Das Gemeinnützigkeitsrecht ist im Steuer­recht geregelt. Musikschulen, die dem Allgemeinwohl dienen, werden steuerliche Begünstigungen, wie beispielsweise die Befreiung von Ertragssteuern, zugestanden. Die Gemeinnützigkeit wird vom Finanzamt ausgestellt, wenn der Verein oder die gGmbH gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Ziele verfolgt.
Besitzt eine Musikschule hingegen die Rechtsform einer GmbH, GbR oder eines Einzelunternehmens ist die direkte Verwendung von Drittmitteln grundsätzlich nicht möglich. Musikschulen mit den genannten Rechtsformen werden als Unternehmen angesehen und müssen Drittmittel, egal ob es sich dabei um Geld- oder Sachleistungen handelt, als Einnahmen verbuchen – und somit auch voll versteuern. Solche Musikschulen sind dem Realmarkt zuzuordnen.

Was bedeutet Fundraising?

Der Begriff Fundraising ist ein Kompositum aus to fund, was mit „fördern“, „ausgleichen“ oder „solidarisch sein“ übersetzt werden kann, und to raise, was „anheben“, „steigern“, „etwas wachsen lassen“ bedeutet. In den USA, die wohl als Mutterland des Fundraisings angesehen werden können, findet man als striktes Synonym die Begriffe friendship raising oder development work. Grundsätzlich geht es beim Fundraising darum, Menschen, Organisationen oder Stiftungen davon zu überzeugen, den Wert der Arbeit einer Musikschule anzuerkennen, sodass sie die nötigen Ressourcen für die Ausführung der Leistungen und Projekte zur Verfügung stellen.

Systematisches Fundraising

Ich werde vier Schritte skizzieren, die zur Veranschaulichung eines systematischen Fundraising-Prozesses dienen. Dass nicht annähernd alle Methoden und Instrumente genannt werden können, die sich für die Arbeit eines Fundraisers eignen, muss erwähnt werden. Zudem sind keine exakten Angaben darüber enthalten, wo, wie und bei wem Gelder beantragt werden können. Dies muss im Einzelfall geprüft werden.

Schritt 1: Analyse und Definition der Ziele
In welcher Weise soll die Zukunft neu gestaltet werden? Widmet man sich der Beantwortung dieser Frage, kommt man an einer Analyse des Ist-Zustands nicht vorbei. In welcher Situation befindet sich die Musikschule derzeit? Existieren die rechtlichen Voraussetzungen, um Fundraising zu betreiben? Gibt es Projekte, die bereits erfolgreich durchgeführt wurden? Ist eine Datenbank möglicher Unterstützer vorhanden? Das Sammeln von Informationen dient dazu, ein möglichst realistisches Bild der Musikschule zu zeichnen, bildet die derzeitige Wissensbilanz und ist Ausgangspunkt für erfolgreiche Planung.
Für die Planung von Fundraising-Aktivi­täten ist eine Aufteilung in drei Zeitfelder empfehlenswert. Der erste zeitliche Rahmen umfasst Ziele, deren Realisierung in drei bis fünf Jahren erfolgen soll. Welche Art von Projekten und Aktionen sind für die Musikschule interessant? Wer soll von den geplanten Aktionen profitieren? Die langfristigen Ziele sollten schriftlich fixiert werden. Der zweite zeitliche Rahmen ist für jene Ziele, die im Zeitraum von ein bis drei Jahren umgesetzt werden sollen. Diese Ziele werden als taktische Ziele bezeichnet und sollten ebenfalls schriftlich festgehalten werden. Der dritte zeitliche Rahmen bildet die Jahresplanung und beinhaltet alle Informationen, die für das operative Geschäft innerhalb des nächsten Jahres benötigt werden. Zur Zieldefinition, egal ob es sich um lang-, mittel- oder kurzfristige Ziele handelt, ist die Arbeit mit den üblichen „W-Fragen“ – wann, wer, wie, warum und wo – sinnvoll. Auch lässt sich das aus dem Projektmanagement stammende Werkzeug verwenden, nach dem die Kriterien zur Zieldefinition SMART – spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch, terminiert – sein sollen.

Schritt 2: Planung von Fundraisingaktionen
Nachdem die Ziele definiert wurden, kann mit der konkreten Planung begonnen werden. Welche Ressourcen sind für die Umsetzung des Projekts notwendig und wofür sollen diese verwendet werden? Zu mög­lichen Ressourcen zählen: Geldspenden, Sachleistungen, zeitliches Engagement von Ehrenamtlichen und Beratungsleistungen. An wen sich Musikschulen wenden können, ist von den jeweiligen geografischen und strukturellen Rahmenbedingungen abhängig. Grundsätzlich können folgende Quellen in Betracht gezogen werden: Förderprogramme, Stiftungen, Firmen, Privatpersonen und Gerichte.
Wichtig ist, dass die Größe des Projekts mit der Auswahl möglicher Spender zusammenpassen muss. Ist beispielsweise geplant, dass vier Kinder aus sozial schwachen Familien für die Durchführung eines Nachmittagsprojekts finanziell unterstützt werden sollen, wird es sich nicht lohnen, Geld aus einem EU-Förderprogramm zu beantragen. In diesem Fall stimmt die Balance zwischen Projektgröße und Unterstützer-Auswahl nicht.
Nachdem die Größe des Projekts eingeschätzt und mögliche Förderer identifiziert wurden, ist es wichtig, wann, wen und um welchen Betrag Musikschulen bitten möchten. Sollen die Mittel aus Förderprogrammen oder von Stiftungen kommen, sind in jedem Fall Abgabefristen für Projektanträge einzuhalten.

Schritt 3: Durchführung einer Fundraising-Aktion
Welche Fundraising-Methode für eine Durchführung infrage kommt, ergibt sich aus den Zielen. Aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten im Fundraising soll sich diese Beschreibung auf den wohl effektivsten Weg, das persönliche Gespräch, reduzieren.
Der Ablauf eines Fundraising-Gesprächs erfolgt in vier Phasen. In der Einführungsphase sollte das Gespräch mit einem lockeren Small-Talk begonnen werden. Diese Phase dient dazu, sich auf den Gesprächspartner einzustimmen und eine gute Atmosphäre aufzubauen. Als zweiter Schritt kommt eine kurze Einbeziehungsphase, in der es darum geht, den Gesprächspartner in die eigene Arbeit einzubeziehen und das Gespräch auf die Arbeit der Musikschule überzuleiten. Die dritte Phase dient dazu, das eigentliche Projekt vorzustellen. Hier helfen Informations­materialien wie beispielsweise Fotos, Flyer usw. Zum Abschluss sollte nun konkret um Unterstützung gebeten und exakt formuliert werden, wie und durch was der potenzielle Förderer helfen kann.
Grundsätzlich sollten sich Musikschulen im Kontakt mit Förderern und Spendern an folgende Regeln halten:
1. Wofür das Geld benötigt wird, sollte klar und eindeutig kommuniziert werden.
2. Ehrlichkeit gegenüber Förderern ist ein absolutes Muss.
3. Die Antwort für jede Art der Unterstützung heißt: „Danke“.

Schritt 4: Controlling
Nach der Durchführung eines Projekts – dies gilt auch für ein gescheitertes, nicht zustande gekommenes Projekt –, sollte überprüft werden, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden – und wenn nicht, warum. Die gewonnenen Ergebnisse können zur Planung neuer Fundraising-Aktionen genutzt werden. Mögliche Methoden wären hierbei die Befragungen der TeilnehmerInnen nach Abschluss des Projekts, ein Auswertungsgespräch mit den Kolleginnen und Kollegen oder eine Image-Profil-Analyse. Selbstverständlich können alle messbaren Werte für eine quantitative Ergebniskontrolle mit einbezogen werden. Jedes Ergebnis gibt Aufschluss über den Projektverlauf und darf weder verfälscht noch verschönert werden.

Resümee

Ob Fundraising betrieben werden darf oder nicht, entscheidet die Anerkennung der Gemeinnützigkeit. Musikschulen, deren Rechtsform nicht als gemeinnützig anerkannt ist, nehmen eine Sonderstellung im klassischen Marktverständnis ein, da musikpädagogische Arbeit einerseits unter­stützenswert ist, aber andererseits durch die Rechtsform unterbunden wird. Eine gesellschaftliche Anerkennung der Leistung privater Musikschulen bleibt in vielen Fällen offen.