Lunte, Frank

„Gott schuf zuerst das Schlagzeug und dann die Musik!“

In einem dadaistisch gefärbten Aufsatz definiert Erwin Schulhoff den Rhythmus als das Maß aller Dinge

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 5/2019 , Seite 46

Nicht nur in diesem – dem geneigten Leser doch recht despektierlich gegenübertretenden – Aufsatz* offenbart der Komponist und Pianist Erwin Schulhoff (geb. 1894 in Prag, gestorben 1942 im Internierungslager Wülzburg/ Bayern) seine mitunter fundamentale Kritik an konventioneller Musikausbildung. Schulhoff, selbst akademisch umfassend gebildet und intimer Kenner der europäischen Musikgeschichte, lässt schon in den frühen 1910er Jahren als jugendlicher Student an der Kölner Musikhochschule keine Zweifel daran, dass ein Aufbegehren in den allzu gediegenen Ausbildungsanstalten nottut. Spätestens ab 1919, das Grauen der Frontkämpfe noch in lebendigstem Gedächtnis, versteht er seine mit exzentrischer Radikalität realisierten Kompositionen als Protest gegen noch bestehende gesellschaftliche Relikte wilhelminischer Gesinnung, insbesondere den für seine Begriffe überkommenen Pathos. Anders gesagt: Wider den Deutschnationalismus mit Dada und Jazz. Diese Symbiose mit höchster sozialer Sprengkraft kam Schulhoff als Kulturschock für das verhasste Spießbürgertum gerade recht.

* erschienen in Der Auftakt 4, 1924, S. 84-86 (gezeichnet mit: Erwin Hoff). Neu veröffentlicht in: Erwin Schulhoff: Schriften, hg. von Tobias Widmaier (= Band 7 der Reihe „Verdrängte Musik“ des Berliner Vereins „musica reanimata“), von Bockel Verlag, Hamburg 1995, S. 19 f. Wir danken für die freundliche Nachdruckgenehmigung.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2019.