Doll, Frank

Griffbrett-Theorie

Sicheres Skalen- und Akkordspiel. Die Harmonielehre für Gitarre, mit CD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 53

Rock-GitarristInnen und Harmonielehre sind zwei Dinge, die oft nicht viel miteinander zu tun haben. Obwohl man die unterschiedlichsten Akkorde, Licks und Melodien miteinander kombiniert, wissen viele Mitglieder der Zunft weder wie die einzelnen Bausteine heißen noch warum sie zueinander passen.
Frank Doll, aktiver Gitarrist und Gitarrenlehrer an Musik- und allgemein bildenden Schulen, versucht mit seinem Buch Abhilfe zu schaffen. Vom Stoff her ist das Buch sehr umfangreich geraten. Nach einer kurzen Anleitung, wie man bestimmte Töne auf dem Griffbrett findet und sich ihre Position dauerhaft merkt, geht es an die Intervalle Terz und Quinte, aus denen Dreiklänge gebildet werden. Alle Beispiele werden sofort aufs Griffbrett übertragen, um ein typisches Manko des Harmonielehre-Unterrichts zu vermeiden: die fehlende Verbindung zum Instrument.
Nach zahlreichen Arpeggioübungen mit verschiedenen Dreiklängen, die zu etwas eintönig geratenen Playalongs von der CD geübt werden können, landet der Schüler bei Akkorden. Zuerst werden Dreiklänge und ihre Umkehrungen erklärt, dann folgen Kadenzen in Dur und Moll, sus-Akkorde und die Harmonisation von Melodien mit den gelernten Akkorden. Der Großteil der Beispiele ist eher theoretischer Natur, wird aber gelegentlich durch bekannte Rocksongs von Iron Maiden, Papa Roach u. a. aufgelockert.
Im zweiten Teil des Buchs geht’s dann Richtung Jazz. Vierklänge stehen auf dem Programm. Doll erklärt das Konzept von Drop 2- und Drop 3-Voicings, die von der Bezeichnung her leider verwechselt wurden, und wendet diese anschließend auf II-V-I-Verbindungen an. Schließlich gibt’s noch die Kirchentonarten und Molltonleitern, um die letzten Lücken im theoretischen Wissen zu schließen.
Eine Menge Material, das im Grunde gut erklärt wird, oft aber recht trocken daher kommt. Trotz der eingestreuten Liedbeispiele fehlt mir eine deutlichere Verbindung der harmonischen Phänomene zu bestimmten Songs, Stilistiken oder Solokonzepten. Man lernt zwar durchaus nützliche Bausteine auf der Gitarre, bekommt aber weder auf der CD noch im Text eine Idee, was man mit der Fülle an Mate­rial denn nun anstellen soll.
Inspirierend wären Beispielsolos oder Songs gewesen, in denen z. B. Arpeggios oder bestimmte Kirchentonleitern musikalisch gut eingesetzt zu hören sind. Stattdessen gibt es Begleitsongs, die entweder auf dem Quintenzirkel oder einer I-IV-V-Kadenz aufbauen und oft im immer gleichen Shuffle-Groove gehalten sind. So bleibt es dem Schüler oder der Schülerin bzw. deren Gitarrenlehrkraft überlassen, Song-Beispiele und Anwendungsmöglichkeiten für die verschiedenen Arpeggios, Akkorde und Skalen zu finden, was das Buch eher zum Nachschlagewerk als zum wirklichen Übematerial macht. Schade, denn Doll überzeugt mit fundierter Kenntnis der Materie.
Martin Schmidt