Guitar Collection

30 berühmte Stücke von Carulli bis Tárrega für Gitarre

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2004
erschienen in: üben & musizieren 6/2004 , Seite 71

Auf dem Umschlag schaut mich aus tiefblauem Hintergrund ein Gitarrist an. Bilde ich es mir nur ein? Auf mich wirkt er etwas orientierungslos – vielleicht liegt das daran, dass er mit seiner siebensaitigen Gitarre und ihrer üblichen Stimmung mit den Stücken dieser Sammlung nichts anzufangen weiß. (Wer der dargestellte Spieler oder sein Maler ist, erfährt man leider nicht.)
Das Heft trägt den Untertitel „Famous Pieces from Carulli to Tárrega“. Das klingt zunächst sehr griffig, doch was bitteschön heißt hier „famous“? Sind dies Stücke, die alle GitarristInnen spielen oder die jedem musikalisch halbwegs Gebildeten sofort präsent sind? Wie es auch sei, die Spanische Romanze und Tárregas Träne zählen zu denen, die man gerne als bekannt voraussetzt. Doch Molinos Sonate op. 6? Ich glaube nicht, dass dieses Werk oder etwa die Bagatellen Marschners unter irgendeinem Aspekt „famous“ sind. Doch soll dies keine Kritik an der Musik oder ihrer Verwendbarkeit im Unterricht sein.
Ein besonderes Problem stellen die Quellenangaben dar. Alle Stücke sind aus früheren Schottausgaben übernommen. Auf diese wird dann als Quelle verwiesen: eine Vorgehensweise, die leider zu teilweise grotesken Auswirkungen führt. So erscheint z. B. als 25. Stück der Sammlung ein Rondo von Fernando Sor. Als Quelle ist aufgeführt: Die Stunde der Gitarre, Band III, herausgegeben von Walter Götze. Tatsächlich steht das Rondo als Nr. 6 in op. 48, dem Sor den launigen Titel Est-ce bien ça? verpasste. Götzes zu ihrer Zeit (1925) vielleicht sehr verdienstvolle Ausgabe ändert direkt zu Beginn die ursprüngliche Artikulation. Dies bleibt in der neuen Ausgabe unkommentiert bestehen.
Natürlich beeinträchtigt eine solche editorische Sorglosigkeit weder den Wert der Musik noch ihre Verwendbarkeit im Unterricht. Ich kann es mir allerdings nicht vorstellen, dass man eine solche Editionspraxis im Klavier- oder Streicherbereich tolerieren würde. Sie erinnert mich an längst vergangene Zeiten, die man glücklich überwunden glaubte. Betrachte ich dazu die für den Unterricht sorgsam aufbereiteten Sammlungen etwa Hubert Käppels, nach Schwierigkeiten geordnet, mit Vorübungen versehen und mit CD ausgestattet, oder die Reihe „Step by Step“ im Zimmermann- Verlag, wo stilistische und historische Informationen jeweils ein Werk begleiten, weiß ich nicht, ob sich eine neue Materialsammlung, die zugegebenerweise preislich günstig ist, behaupten kann.
Andreas Stevens-Geenen