Breitsprecher, Annette

„Heute hier, morgen dort…“

Eine Standort(e)betrachtung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 14

Das Lied “Heute hier, morgen dort” von Hannes Wader beschreibt treffend mein Lebensgefühl nach 24 Jahren Musikschularbeit in Berlin.

Instrumentalunterricht zu geben hat immer untrennbar zu meinem musikalischen Leben gehört. Es begann schon damit, dass ich mir das Geld für Flötenstunden selbst verdient habe, weil das elterliche Budget ein zweites Instrument nicht zuließ. Ich hatte nie einen „Praxisschock“, mein Talent auf musikpädagogischem Gebiet und meine Lust, mich dort zu betätigen, waren immer schon ausgeprägter als meine pianistischen Fähigkeiten. Ich liebe den Umgang mit den SchülerInnen. Ich bin experimentierfreudig und ich lerne gerne dazu. Warum also geht es mir nicht einfach gut in meinem Beruf?

Insel der Glückseligkeit – ein Nachmittag in einer ­„richtigen“ Musikschule

Eine Musikschulzweigstelle mit 28 Unterrichtsräumen ist mein Platz am Montagnachmittag. Es tönt aus allen Räumen, auf dem langen Flur sitzen wartend große und kleine Menschen, manche vertieft in ein Buch oder ihre Hausaufgaben. Sieben SchülerInnen im Alter von sechs bis dreiundfünfzig kommen zu mir in die Klavierstunde, alle verschieden in ihren stilistischen Vorlieben, ihrem Können, ihren Ansprüchen an sich selbst und an mich – ein belebend abwechslungsreicher Bogen von der besonders begabten Lisa mit Förderstipendium bis zu Frau Hoffmeister, die sich seit einigen Wochen einen Kindheitstraum erfüllt.
Ich bin froh, Tür an Tür zu sein mit KollegInnen – für Ensemblearbeit, für gegenseitige fachliche und moralische Unterstützung, für das persönliche Gespräch beim Pausenkaffee. Ein erfreulicher Nachmittag; schade nur, dass die sich anschließende Korrepetition im Musicalkurs einer Lieblingskollegin nicht auch hier im Haus stattfindet, sondern eine halbe Stunde Wegezeit zusätzlich erfordert.

„Schulkooperation“? – ein halber Nachmittag in einer konfessionellen Ganztagsschule

Wenn ich dienstags das Schulhaus betrete, meine ich, beim Blick in die Kindergesichter den guten reformpädagogischen Geist zu spüren, der hier weht. Dennoch habe ich auch nach vier Jahren noch das Gefühl, eher zu stören. Der Unterricht ist in den Hortbetrieb eingebettet, vor Ort gibt es kaum Elternkontakt, das Zeitfenster ist begrenzt auf drei Stunden. Manchmal muss ich erst auf die Suche gehen nach einem Kind, das, ins Spiel versunken, die Klavierstunde völlig vergessen hat. Gelegentlich treffe ich den einzigen Kollegen, der mit mir im Haus ist, er unterrichtet Blockflöte; zwei Mal jährlich veranstalten wir ein kleines Vorspiel für die hiesigen MusikschülerInnen und deren Eltern. Meine Beziehung zu den LehrerInnen der Schule beschränkt sich auf ein freundliches „Hallo“, eine inhaltliche Zusammenarbeit findet nicht statt.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2013.