Mahlert, Ulrich

Höhen und Tiefen

Berufsalltage von Musikschul- und Privatmusiklehrkräften

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 06

Musikpädagogen haben einen enorm vielfältigen Beruf. Die in ­diesem Heft versammelten acht Berichte von Lehrenden über ihr Alltagsleben zeigen etwas von der Fülle der beruf­lichen Anforderungen. Sie spiegeln an Gegensätzen reiche Lebensverhältnisse. Dazu gehören vielerlei befriedigende Aktivitäten, aber auch Schwierigkei­ten, Frustra­tionen und Unzumutbarkeiten.

„Ach, Sie geben Klavierunterricht. Wie schön! Und was machen Sie hauptberuflich?“ Musikpädagogen und -pädagoginnen erzählen sich gelegentlich von solchen kuriosen Nachfragen. Mit Ironie suchen sie die im Alltag ­immer wieder begegnende Unkenntnis über ihren Beruf zu kompensieren. Diese Unkenntnis schmerzt. Lehrende spüren darin die verharmlosende Sicht auf ihre mit Leidenschaft ausgeübte musikerzieherische Arbeit. Zudem kränkt die Ignoranz durch die Blindheit gegenüber all dem, was zusammen mit dem „Stundengeben“ zu leisten ist, wenn Musikerziehung den vielen an sie gerichteten Erwartungen gerecht werden soll.
Die desolaten Einkommensverhältnisse und die immer schwieriger werdenden Arbeits­bedingungen von Musikpädagogen sind ein Skandal unseres Bildungswesens. Wie Hohn verhalten sie sich zu den Bekundungen von Bildungspolitikern und Kulturfunktionären über die hohe Bedeutung musikalischer Betätigung für die Persönlichkeitsentwicklung von Menschen und für die Kultur unseres Landes. Die schönen Worte richten offenbar wenig aus. Man könnte sagen, sie ermög­lichen das Gegenteil: Sie verschaffen ein Alibi für das Unterlassen der realen, durch entsprechende finanzielle und organisatorische Rahmenbedingungen zu erbringenden Würdigung einer angeblich doch so wichtigen Tätigkeit.
Um die Sache der an Musikschulen und privat unterrichtenden Lehrkräfte und damit die Möglichkeiten der Bildung durch Musik zu befördern, muss die Öffentlichkeit mehr erfahren über die hier tatsächlich tagtäglich geleistete Arbeit. Die Berichte zum Thema „Berufsalltag(e)“ sollen dazu beitragen. Wer diese Berichte liest und sich das in ihnen entfaltete Tätigkeitsspektrum vergegenwärtigt, dürfte kaum mehr auf die Idee kommen, ­Instrumentallehrkräfte nach ihrem „eigent­lichen“ Beruf zu fragen.
Natürlich können acht Berichte kein umfassendes und repräsentatives Bild des Alltagslebens einer Berufsgruppe bieten. Die Arbeitsverhältnisse vieler Musiklehrenden sind bunt gemischt und vielgestaltig. Für Lehrkräfte, die keine Festanstellung an einer Musikschule finden, sind Mischtätigkeiten die Regel. Aber auch bei den vergleichsweise besser gestellten Lehrkräften mit festen Stellen diversifizieren sich die auszuführenden Tätigkeiten zusehends. Zu Recht gehen ­Musikschulen verstärkt Kooperationen mit diversen Bildungs- und Kultureinrichtungen ein, um musikalische Bildung gesellschaftlich breit zu streuen. Solche Ausweitungen führen allerdings zu inhaltlich und organisatorisch immer komplexeren Arbeitsverhältnissen.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2013.