Behschnitt, Rüdiger

Ich bin äußerst pessimistisch

Gespräch mit Anja Bossen über ­Sprachförderung mit Musik, JeKi und die Zukunft des Berufs „Instrumentallehrer/in“

Rubrik: Interview
erschienen in: üben & musizieren 5/2012 , Seite 44

Anja Bossen ist Diplom-Musikerzieherin an der Leo-Kestenberg-Musikschule in Berlin und arbeitet im Kooperationsbereich zwischen Musikschule und allgemein bildender Schule. 2009 promovierte sie an der Universität Potsdam im Fachbereich Erziehungswissenschaft. Seit 2012 leitet sie das von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft geförderte Modellprojekt “Sprachförderung mit Musik und Bewegung” und begleitet es wissenschaftlich. Darüber hinaus ist sie in der Lehrer- und Erzieherfortbildung und als freie Autorin tätig. Sie ist Mitglied des Bundesvorstands der Fachgruppe Musik in ver.di und leitet die ver.di-Umfrage zur sozialen Situation und  Einkommenssituation von Musikschullehrkräften und Privatmusiklehrkräften.

Liebe Frau Bossen, Ihre neueste Veröffentlichung widmet sich unter dem Titel „Singen – Lesen – Schreiben“ der Sprachförderung mit Musik. Auf dem Cover findet sich an prominenter Stelle die plakative Aussage: „Musik macht schlau“. Das provoziert natürlich die Gegenfrage: Macht Musik wirklich schlau?

Musik wird in meinem Sprachförderkonzept als Medium, als „Lernmittel“ verwendet. Das heißt, die Musik dient dazu, sprachliche Inhalte zu transportieren. Dieser Ansatz entspricht jedoch nicht dem derzeit aktuellen bildungspolitischen Hype zu Transfereffekten musikalischer Betätigung. Diesen Hype sehe ich durchaus kritisch, da man bei Studien, die positive Wirkungen von Musik auf die Intelligenz oder andere Transfereffekte belegen, sehr genau hinschauen muss, unter welchen Umständen genau diese Effekte eingetreten sind. Dieser Gesichtspunkt wird meines Erachtens viel zu oft ausgeblendet. Die Frage lautet also: Wie muss Musik verwendet werden, wenn sie „schlau“ machen soll, und unter welchen Umständen treten überhaupt Effekte ein? In meinem Buch geht es darum, dass Musik, wenn sie als Medium zum Sprachlernen ein gesetzt wird, tatsächlich dazu bei tragen kann, positive sprachliche Lerneffekte zu bewirken. Wer ein bildungssprachliches Niveau er reicht, kann sich die Welt auf eine andere Art aneignen und sich selbst anders bilden als jemand, der eben kein bildungssprachliches Niveau erreicht. Insofern kann Musik hier tatsächlich dazu bei tragen, vor allem sozial benachteiligte Kinder „schlauer“ zu machen.

In Baden-Württemberg wurde 2010 das landesweite Förderprogramm „Singen – Bewegen – Sprechen“ gestartet. Ursprünglich sollte es sowohl im Kindergarten als auch in der Grundschule angewendet werden. Nun hat jedoch die neue Landesregierung beschlossen, dass die Weiterführung in den Grundschulen nicht mehr finanziert werden kann. Immerhin wurde das Programm in den Kindergärten als Bestand – teil der Sprachförderung fest verankert. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Diese Entwicklung ist typisch für den blinden Aktionismus der Bildungspolitik. Mit „Singen – Bewegen – Sprechen“ wurde mit erheblichem finanziellen Aufwand ein Projekt auf den Weg gebracht, das nun unter der neuen Landesregierung wieder erheblich eingeschränkt wird. Verlierer sind die Grundschulen, an denen musischästhetische Bildung durch die Zusammenlegung der Fächer Kunst, Musik und Sport zum Fach „Ästhetische Bildung“ ohnehin nur noch eine marginale Rolle spielt. Positiv zu bewerten ist allerdings, dass alle Kitas in Baden-Württemberg das Programm umsetzen können und nicht noch zusätzlich Chancenungleichheit zwischen verschiedenen Regionen innerhalb Baden-Württembergs entsteht. Ähnliches, wie wir jetzt mit der Einschränkung von „Singen – Bewegen – Sprechen“ erleben, haben wir jedoch auch bei „JeKi“ erlebt. Ich sehe in letzter Zeit immer stärker den Trend der Bildungspolitik, sich von Kontinuität und Qualität zu verabschieden und statt eines langfristig angelegten Unterrichts, der langfristige Bildungsprozesse ermöglicht, ein kurzlebiges Projekt nach dem anderen aufzulegen. Besonders skandalös an solchen Projekten ist, dass sie zu einem erheblichen Teil von Honorar-Musikschullehrkräften umgesetzt werden, die abgesehen von fehlender sozialer Absicherung über keinerlei Planungssicherheit verfügen, weil sie nie wissen, ob und wie lange ein Projekt tatsächlich weitergeführt wird. Dadurch verschärft sich deren ohnehin schon prekäre Situation nochmals. Was die inhaltliche Qualität von „Singen – Bewegen – Sprechen“ angeht, fehlen mir aus wissenschaftlicher Sicht die theoretische Fundierung in allen Bereichen sowie eine klar formulierte Zielsetzung für die einzelnen Bereiche. Der Begriff „Förderung“ setzt ja voraus, dass man beschreibt, welche linguistischen und musikalischen Bereiche und welche Bereiche der motorischen Entwicklung durch welche Art von Maßnahmen gefördert werden sollen. Orientierungspläne geben zwar Hinweise, lassen aber auch vieles beliebig erscheinen. Hier fehlt mir insbesondere eine klarere Ausformulierung der sprachlichen Ziele.

Ich habe den Eindruck, dass derzeit auch eine gewisse „Förderitis“ in Deutschland umgeht. Sprachförderung z. B. ist ein allgegenwärtiges Thema in der Diskussion um frühkindliche Bildung. Woher kommt das? Sprechen die Kinder heute deutlich schlechter als etwa vor 30 Jahren? Oder hat es damals nur weniger interessiert?

In der Tat kann man zurzeit den Eindruck einer grassierenden „Förderitis“ bekommen und übrigens auch den einer „Testeritis“. In den 1960er Jahren ging man davon aus, dass die Migranten der ersten Generation, die als „Gastarbeiter“ nach Deutschland geholt wurden, sich gar nicht lange genug in Deutschland aufhalten würden, sodass es nicht notwendig sei, ihnen umfangreiche Deutschkenntnisse zu vermitteln. Ein großer Teil der Migranten blieb jedoch in Deutschland. Als sich dann herausstellte, dass die Kinder der Migranten die deutsche Sprache im „Sprachbad“ oft nicht ausreichend erlernten, wurde das Unterrichtsfach „Deutsch als Zweitsprache (DaZ)“ etabliert. In der ersten PISA-Studie und weiteren Untersuchungen zur Lesekompetenz (z. B. IGLU) zeigte sich, dass der DaZ-Unterricht nicht ausreichte, denn Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund schnitten erheblich schlechter ab als gleichaltrige Kinder und Jugendliche deutscher Herkunftssprache. Hinzu kommt die Tatsache, dass Entwicklungsstörungen – auch bei Kindern ohne Migrationshintergrund – in den letzten zwanzig Jahren deutlich zugenommen haben, wie empirische Untersuchungen seit Ende der 1990er Jahre belegen. In der Folge wurden sehr schnell bildungspolitische Maßnahmen gegen den PISA-Schock ergriffen, allerdings oft so schnell, dass die inhaltlichen Ideen nicht wirklich zu Ende gedacht waren. Aufgrund der Erkenntnis, dass präventive Maßnahmen die Entstehung von Entwicklungsrückständen verhindern können, und aufgrund der herausragenden Bedeutung von Sprache für den gesamten Bildungserfolg wurden eine zunehmende Zahl von Verfahren zur Sprachstandsmessung, eine Vielzahl unterschiedlicher Sprachförderkonzepte und Unmengen von Sprachfördermaterialien entwickelt. Für viele Sprachförderprojekte gibt es jedoch bis heute keine klaren Qualitätskriterien, und die Wirksamkeit der Fördermaßnahmen wird oft auch nicht wirklich nachgewiesen, was sicher auch dem Umstand geschuldet ist, dass Förderung und Evaluation möglichst wenig kosten dürfen. Mittlerweile ist eine gigantische und nahezu undurchschaubare Sprachförder-Industrie entstanden, die sich auch die Ängste von Mittelschicht-Eltern zunutze macht, die ihr Kind von frühester Kindheit an optimal fördern wollen.

In den vergangenen Monaten konnte man von Ihnen viele kritische Äußerungen zu „JeKi“ lesen. Was werfen Sie „JeKi“ vor und wie könnte sich das Projekt positiv entwickeln?

„JeKi“ könnte ein gutes bildungs- und sozialpolitisches Projekt sein, wäre es nicht – wie so viele andere Projekte – mit der heißen Nadel gestrickt. Das scheint ein grundsätzlicher Fehler der derzeitigen Bildungspolitik zu sein, denn es läuft bei vielen anderen Projekten auch so. Da werden plötzlich Mittel bewilligt und dann muss alles ganz schnell gehen. Wenn man nicht so weit wie möglich die Folgen eines Projekts bedenkt, muss man sich natürlich nicht über die Probleme wundern, die daraus entstehen. Grundsätzlich begrüße ich den Ansatz, Kindern, die sonst aufgrund einer nicht förderlichen Haltung ihrer Eltern niemals mit dem Musizieren in Berührung gekommen wären, einen Zugang zu einem Instrument zu ermöglichen. Nur: Was passiert eigentlich nach „JeKi“? Was nützt es den Kindern, eine kurze sinnstiftende Erfahrung gemacht zu haben, wenn sie diese Erfahrung nicht fortsetzen können, weil sie keinen Platz an der Musikschule bekommen, die Eltern das Musizieren nicht weiter unterstützen oder schlichtweg das Geld für anschließenden Instrumentalunterricht oder ein eigenes Instrument fehlt? Jürgen Rüttgers sagte während seiner Amtszeit als Ministerpräsident in NRW, was in Venezuela möglich sei, sei auch in NRW möglich. Dieser Vergleich erscheint mir völlig absurd, denn „El Sistema“ und „JeKi“ haben tatsächlich nicht die geringste Ähnlichkeit, sowohl, was den zeitlichen Umfang betrifft, als auch, was die Nachhaltigkeit betrifft, denn in Venezuela gehen die Kinder jeden Tag und fast die gesamte Schulzeit in die Nucleos. Dass deutsche Bildungspolitiker in andere Länder schauen und dann völlig losgelöst von den Rahmenbedingungen nur Bruchstücke des dortigen Bildungssystems übernehmen, finde ich völlig naiv. Ich glaube auch nicht, dass „JeKi“ maßgeblich zu echter Chancengerechtigkeit beitragen kann, solange nicht gleichzeitig die soziale Ungerechtigkeit in Deutschland abnimmt. „JeKi“ kann Kindern in gewissem Umfang auf musikalischem Gebiet neue Erfahrungen ermöglichen, die sie sonst nicht gemacht hätten. Das allein ist aber noch lange keine wirkliche „Chancengerechtigkeit“. Für die Kinder könnte es dennoch ein sinnvolles Projekt werden, aber nur dann, wenn im Anschluss eine Fortsetzung für alle diejenigen, die das wollen, möglich wäre. Denn sowohl musikalische als auch persönlichkeitsbildende Lernprozesse benötigen viel Zeit. Das bedeutet im Klartext: Befreiung von den Musikschulgebühren für arme Kinder und ein Ausbau des Musikschulangebots. Zur Qualität eines solchen Projekts würde meiner Ansicht nach auch eine verpflichtende Fortbildung mit verbindlichen Inhalten gehören. Schlimm finde ich aber auch, wie zum großen Teil mit den Musikschullehrern, die „JeKi“ unterrichten, umgegangen wird. Wenn sie überhaupt fest angestellt sind und nicht stundenweise als Honorarkraft jobben, erhalten sie oft nur befristete Verträge. Insofern ist „JeKi“ eines der vielen „Projektitis-Beispiele“, die den Musikschullehrern keinerlei Lebensplanung gestatten. Die Zahl der negativen Beiträge zu „JeKi“ in verschiedenen Diskussionsforen zeigt deutlich die Unzufriedenheit der Musikschullehrer. Für die Musikschullehrer kann sich das Projekt nur dann positiv entwickeln, wenn ihre Leistung genauso anerkannt wird wie die der Lehrer an den allgemein bildenden Schulen und sich dies in gleicher Bezahlung und gleichem Status bemisst. Schließlich unterrichten beide Lehrergruppen dieselben Kinder, teils sogar im Tandem.

Warum wird bei „JeKi“ immer gefragt, was danach passiert? Beim Sportunterricht fragt doch auch niemand, ob das Kind anschließend einen geeigneten Sportverein findet. Reicht es denn nicht, den Kindern diese musikalischen Erfahrungen zu ermöglichen?

Der Vergleich mit dem Sportunterricht zeigt bereits, dass es in der Schule gerade um Langfristigkeit geht. Sportunterricht findet – zumindest theoretisch – während der gesamten Schulzeit von der ersten bis zur letzten Klasse statt. „JeKi“ bildet hier eine Ausnahme innerhalb der schulischen Ausbildung. Natürlich kann man das bildungsbürgerliche Gewissen damit beruhigen, dass man gerade auch bildungsfernen Kindern irgendwie irgendwelche kulturellen Erfahrungen zukommen lässt. Wir wissen aber, dass Projekte wie „JeKi“ nicht allein dafür implementiert werden, den Kindern einfach nur nette kulturelle Erfahrungen zu ermöglichen, sondern sie sind darüber hinaus zweckgerichtet. Man veranstaltet „JeKi“ auch, um Chancengerechtigkeit herzustellen oder um das Sozialverhalten der Kinder zu ver bessern. Das heißt, für viele ist „JeKi“ ein Sozialprojekt. Andere sind jedoch der Meinung, es sei ein musikpädagogisches Projekt mit musikpädagogischen Zielen. Aus diesem Zwiespalt rührt vermutlich auch ein Großteil der Unzufriedenheit der Musikschullehrer, denn sie fühlen sich nicht in erster Linie als Sozialarbeiter, sondern haben darüber hinaus den Anspruch, musikbezogenes Können und musikalische Bildung zu vermitteln. Das war bisher die Hauptaufgabe von Musikschullehrern. Mir ist nicht bekannt, welches musikalische Niveau die Kinder in der Regel nach zwei bis vier Jahren „JeKi“ erreichen und welche musik- und persönlichkeitsbezogenen Bildungsprozesse und Erfahrungen bis dahin tatsächlich stattgefunden haben. Wir wissen auch, dass das Erlernen eines Instruments viele Jahre in Anspruch nimmt. Ich verstehe nicht, warum instrumentale Fertigkeiten bei einem Projekt, bei dem es angeblich darum geht, ein Instrument zu erlernen, keine Rolle spielen sollen. Ebenso wenig wissen wir bisher, ob und in welchem Grad die beabsichtigten Transfereffekte nach zwei bis vier Jahren eintreten und inwiefern „JeKi“ tatsächlich zu kultureller Teilhabe führt. Es ist für mich auch kein Ausdruck von Chancengerechtigkeit, wenn man den Kindern eine Betätigung, die sehr befriedigend und beglückend sein kann, nach wenigen Jahren wieder wegnimmt. Der Unterschied zwischen Sportverein und Musikschule liegt ja nicht unerheblich auch in den Kosten. Während die Mitgliedschaft in einem Sportverein auch für finanziell nicht so gut gestellte Kinder oft möglich ist, sind die Kosten für Instrumentalunterricht und die Anschaffung von Instrumenten und Noten enorm.

Auch wenn „JeKi“ in der Umsetzung viele Mängel aufweisen mag – hier wurde von der Politik Geld zur Verfügung gestellt in einem Ausmaß, wie es nicht für möglich gehalten wurde. Projektförderung einerseits, Musikschulschließungen andererseits: Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage für Instrumentallehrkräfte, die an öffentlichen oder privaten Musikschulen oder eben auch freiberuflich ihr Auskommen suchen? Und wel che Gefahren, aber auch Chancen sehen Sie für die Zukunft?

Was die Zukunft des Berufs „Instrumentallehrer“ angeht, bin ich äußerst pessimistisch. Ich höre zunehmend von Kollegen, dass sie versuchen, sich beruflich anderweitig zu orientieren. Durch die Erosion der Festanstellungen, die wir in den letzten Jahren zu verzeichnen haben, und durch den Trend, dass Musikschulen statt voller Stellen überwiegend nur noch wenige Stunden anbieten, verkommt ein Beruf, von dem man ursprünglich leben konnte, zu einem prekären Job auf Stundenbasis. „JeKi“ und andere Projekte könnten die Situation der Musikschullehrer dann etwas entspannen, wenn sie verstetigt und wirklich alle Lehrkräfte fest angestellt würden. Das kann aber kein Ersatz für eine längst überfällige neue Verortung der Institution „Musikschule“ und ihrer künftigen Aufgaben im Bildungssystem sein. Die Ergebnisse der Umfrage der Fachgruppe Musik in ver.di zur sozialen und Einkommenssituation von Instrumentalpädagogen belegten bereits 2008 die missliche Situation. Leider hat die Politik bisher kaum darauf reagiert – im Gegenteil, der vorgebliche Sparzwang ist noch größer geworden. Die Ergebnisse der Verdi-Umfrage 2012 spiegeln dies deutlich wieder: Die Zahl der fest angestellten Musikschullehrer hat deutlich abgenommen, während die der freien Honorarkräfte angestiegen ist; das durchschnittliche Jahreseinkommen der Honorarkräfte ist außerdem im Vergleich zu 2008 gesunken. Zugleich steigen die Anforderungen an die Lehrkräfte, vor allem in Kooperation mit Schulen und Kitas. In einigen Regionen, z. B. im Land Brandenburg, zeichnet sich bereits ein erheblicher Fachkräftemangel ab. Hier sind die Bedingungen inzwischen so schlecht, dass Musikschulleiter teils keine qualifizierten Lehrkräfte mehr finden, die bereit sind, zu diesen Konditionen zu arbeiten. Die Bedingungen an privaten Musikschulen sind sehr unterschiedlich, oft jedoch noch schlechter als an staatlichen Musikschulen. Die Folge ist jedoch nicht, dass die Konditionen verbessert werden, sondern dass zunehmend nicht pädagogisch und/oder nicht künstlerisch ausgebildetes Personal den Unterricht übernimmt. Diese Lösung, un qualifiziertes, aber kostengünstiges Personal im Bildungsbereich einzusetzen, ist mittlerweile ein beliebtes Verfahren, weil Kennzahlen mehr zählen als Qualität. Wie desinteressiert Politik mit Qualitätsanforderungen umgeht, zeigte der Vorschlag, arbeitslose Schlecker-Verkäuferinnen zu Erzieherinnen umzuschulen. Die Folge dieses fehlenden Qualitätsanspruchs wird zwangsläufig sein, dass die staatlichen Musikschulen ihre bisherige hohe Qualität verlieren und zu „Restschulen“ für finanziell weniger gut Gestellte werden. Wer finanziell besser dasteht, kann sich dagegen einen hoch qualifizierten Privatlehrer leisten. Privatlehrer werden sich allerdings nur dort ansiedeln können, wo eine zahlungskräftige Klientel vorhanden ist. Setzt sich der derzeitige Trend fort, wird also die Spaltung in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die wir gegenwärtig im schulischen Bildungsbereich erleben, auch in der musikalischen Bildung ankommen. Eine qualifizierte Ausbildung hängt dann vom Geldbeutel ab. Zusätzlich liefert man damit den „Entscheidungs trägern“ auch die Argumentation dafür, staatliche Musikschulen wegen mangelnder Qualität ganz abzuschaffen und die musikalische Ausbildung privaten Anbietern – ohne staatlichen Bildungsauftrag – zu überlassen.