Schmidt, An-Dominique

Ich hör’ den ganzen Tag Musik

(Über-)Leben als Klavierlehrer

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: AMA, Brühl 2022
erschienen in: üben & musizieren 2/2023 , Seite 57

Mehr als 40 Jahre lang hat An-Dominique Schmidt als private Klavierlehrerin gearbeitet. Dabei ist es ihr nach eigener Auskunft gelungen, sich eine gesicherte Existenz aufzubauen und zugleich berufliche Zufriedenheit zu erreichen, ja sogar „ziemlich glücklich“ zu werden – wobei sie die Mühen der täglichen Arbeit nicht verschweigt.
Als wichtigste Voraussetzung des beruflichen Erfolgs nennt An-­Dominique Schmidt – neben einer guten Ausbildung – die Fähigkeit, lebendige, von Interesse und Sympathie getragene Beziehungen zu den unterschiedlichsten Schülertypen zu gestalten. Dies erfordert von der Lehrkraft sowohl Offenheit und Empathie als auch eine gute Int­rospektion und Selbstsorge.
Das Buch, eine Mischung aus Erfahrungsbericht und Ratgeber, gliedert sich in fünf Teile, die den Themen Schüler, Lehrer, Praxis, Technik und Geschäft gewidmet sind. Jedes dieser Themen wird in zehn kurzen Kapiteln von jeweils zwei bis vier Seiten erörtert. Ein großer Vorzug ist der gute Sprachstil der Autorin. In kurzen, präzisen Worten stellt sie lebendige kleine Szenen vor Augen, wovon vor allem die Kapitel „Schüler“ und „Lehrer“ pro­fitieren.
Im Schüler-Kapitel werden unterschiedliche Schülertypen mit ihren jeweils spezifischen Anforderungen an die Unterrichtsgestaltung vorgestellt: begabte, weniger begabte sowie das gesamte Altersspektrum vom Vorschulkind bis zum Rentner. Das Lehrer-Kapitel reflektiert, welche Ressourcen dabei helfen können, bei der täglich zu leistenden intensiven Zuwendung zu allen SchülerInnen das eigene Wohlbefinden zu erhalten. Bedeutsam ist hier vor allem der Hinweis, die im Unterricht eingeübte Gewohnheit des einseitigen, anteilnehmenden Zuhörens nicht ins Privatleben mitzunehmen.
In den Kapiteln „Praxis“ und „Technik“ beschreibt die Autorin verschiedene Lernfelder und gibt methodische Tipps. Hier erweist sich die Selbstbeschränkung auf wenige Seiten pro Thema manchmal als ungünstig, weil sie bei zentralen Themen wie Üben und Rhythmusschulung nur sehr allgemeine Hinweise erlaubt. Im Kapitel „Geschäft“ erfahren BerufsanfängerInnen viel Wissenswertes über die finanzielle Seite der privaten Unterrichtstätigkeit. Die Empfehlung, auf den Mustervertrag des DTKV zu verzichten und lieber ohne Vertrag zu arbeiten, wird vermutlich nicht jeden überzeugen.
Im insgesamt aspektreichen und gut geschriebenen Buch bleibt eine Leerstelle: Die Autorin spart alles aus, was den Blick über den eigenen Unterrichtsraum hinaus weiten könnte. Unerwähnt bleiben: der fachliche Austausch und die Zusammenarbeit mit KollegInnen, die Vorbereitung auf Wettbewerbe und Aufnahmeprüfungen, die Möglichkeit, SchülerInnen zum Zusammenspiel in verschiedenen Besetzungen anzuregen, sowie das vielseitige Angebot zur beruflichen Weiterbildung.
Sigrid Naumann