Haselbach, Barbara / Micaela Grüner / Shirley Salmon (Hg.)

Im Dialog

Elementare Musik- und Tanzpädagogik im Interdisziplinären Kontext. Orff-Schulwerk Symposium Salzburg 2006, mit DVD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2007
erschienen in: üben & musizieren 4/2008 , Seite 51

Der Bericht über einen Kongress, der vom Dialog lebt und diesen zum zentralen Thema macht, ist wie ein erzähltes Mittagessen. Dennoch ist der Berichtband über das Orff-Schulwerk-Symposium ein wichtiges Dokument, das die Themenvielfalt und den Dialogcharakter der Tagung widerspiegelt. Den zehn Beiträgen aus unterschiedlichen Disziplinen (Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik, Sozialpädagogik, Neurowissenschaft, Säuglingsforschung, Musiktherapie, Musikethnologie, Musikpsychologie und Psychologie), die meist mit einem kurzen Interview („Im Dialog“) verbunden sind, folgen fünf Projektberichte (Kinder- und Jugendkonzerte in Spanien; Community Dance; das Education-Programm der Berliner Philharmoniker; Museumspädagogik im Zentrum Paul Klee, Bern; ein Pilotprojekt des Orff-Instituts mit der Philharmonie Essen) und fünf Workshops aus dem Bereich der Kunstvermittlung. Daran schließt sich eine Dokumentation künstlerischer Beiträge an, die ausschnittweise auch auf einer DVD enthalten sind.
Die Vielgestaltigkeit der künstlerisch-praktischen Ansätze, die alle irgendwie mit der Idee des Orff-Schulwerks verbunden sind, und die Verbindung von Theorie und Praxis wie von Reflexion und Dialog kennzeichnen die Dokumentation, die zweisprachig (englisch und deutsch) vorliegt und damit die internationale Rezeption erleichtern möchte. Die Vielfalt der Ansichten, Ansprüche und Ansätze macht den Reichtum der hier vermittelten Inhalte aus. Weil dem Orff-Schulwerk aber kein kohärentes lerntheoretisches Konzept und kein explizit definierter Lernbegriff zugrunde liegen, können so unterschiedliche Ansätze wie Gardners multiple Intelligenzen, Gordons musikalische Lerntheorie, Rumpfs Plädoyer gegen die Entsinnlichung des Lernens oder neurobiologische Erkenntnisse über das Lernen in einen Dialog mit dem Gedanken des Orff-Schulwerks treten, ohne dass eine unmittelbare Beziehung sogleich evident würde. Aber das muss ja auch nicht sein; wichtiger ist die produktive Auseinandersetzung mit solchen Ansätzen. Überdies steht der Gedanke der Polyaisthesis in vielen Beiträgen im Raum, ohne dass die Roscher’ sche Konzeption selbst zu Wort kommt.
So liefert jeder Beitrag auf seine Weise einen wichtigen Baustein zum Aus- und Umbau der orffschen Schulwerkidee, die ja als ein „work in progress“ zu verstehen ist. Die Kürze der Einzelbeiträge im wissenschaftlichen Teil erzeugt eine erfreuliche Prägnanz, wenngleich zuweilen auch eine begriffliche Vertiefung zu Fragen der multiplen Intelligenzen, zu Audiation, Transfer, Resonanz, Synchronisation, Selbstwirksamkeit u. Ä. hilfreich wäre – aber dazu gibt es ja genügend Spezialliteratur. So ist der Band doch viel mehr als nur die Speisekarte eines Orff-Menüs. Er informiert über die reiche pädagogische und künstlerische Praxis und gibt viele neue Denkanstöße.
Wilfried Gruhn