Wälti, Renate

Im Schritttempo… über alle Berge

Parcours für 2 Violinen / Parcours für 2 Violoncelli

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Nepomuk, Aarau 2007
erschienen in: üben & musizieren 4/2008 , Seite 60

InstrumentallehrerInnen sind immer auf der Suche nach neuer Literatur und viele von ihnen wollen ihren SchülerInnen zeitgenössische Musik präsentieren. Erstens um ihre Ohren zu überraschen und zweitens gehört zeitgenössische Musik zu dem breiten musikalischen Bildungskanon eines Instrumentalunterrichts. Nicht zuletzt gehören bei manchen Jugendmusikwettbewerben Stücke von „lebenden Komponisten“ zum Pflichtprogramm. Beim Anhören mancher Stücke stellt sich allerdings teilweise die Frage, ob das Geburtsdatum der KomponistInnen einziges Kriterium bei der Auswahl war. Insofern hat der Projektbeirat „Jugend musiziert“ sicher berechtigt ab 2008 das verpflichtende zeitgenössische Stück aus dem Programm der TeilnehmerInnen genommen.
„Das Ziel Neue Musik zu fördern soll bleiben“, so der Vorsitzende Reinhart von Gutzeit, „die Methode wechselt jedoch: Anreiz statt Zwang.“ Und so wird es, ob der geringen Auswahl von Neuer Musik für SchülerInnen, von Instrumentallehrkräften begrüßt, wenn KomponistInnen sich entschließen, für SchülerInnen auf hohem musikalischen Niveau zu komponieren.
Die Schweizer Komponistin Renate Wälti legt nun 14 Stücke für jeweils zwei Violinen oder Violoncelli vor. Der Schwierigkeitsgrad wird von der Autorin in der Einleitung als leicht bis mittelschwer beschrieben. Weiter hebt sie hervor, dass in ihren Kompositionen besondere Spieltechniken wie Glissando, Flageolett, Tremolo, Spiccato, Arpeggio, Colegno und Pizzicato kennen gelernt und trainiert werden können. Diesen Techniken gerade auch schon in den ersten Jahren des Violin- und Cellospiels zu begegnen, ist methodisch sehr zu begrüßen. Um die Spielanweisungen zu verstehen, gibt es eine ansprechende Zeichenlegende.
Und dann freuen sich die SpielerInnen auf die Stücke, denn die Titel klingen viel versprechend: „Verstimmt-Verstummt“, „Quintenzirkus“ oder „G-flüster“, um nur einige zu nennen. Wahrscheinlich werden sie enttäuscht sein. Die Titel scheinen keinen direkten Zusammenhang zu den Stücken zu haben und die Musik tritt quälend auf der Stelle. Nun würde man das vielleicht in Kauf nehmen, wenn es artistische Herausforderungen gäbe. Aber auch hier bleiben die SchülerInnen vermutlich unzufrieden. Es ist überdies unklar, was mit den verschiedenen Spieltechniken ausgedrückt werden soll. Das ist schade, denn gerade der zu erzielende Klang sollte doch Motivationsfaktor für jede Art von Technik sein.
Wenn man bedenkt, dass Schüler viel Übezeit mit diesen, vom Schwierigkeitsgrad teilweise sicher schwerer als mittelschwer einzuordnenden Stücken verbringen müssten, bieten sie keinen Anreiz. Eher würden sie zum Zwang werden, da sie weder Ohren noch Seele musikalisch befriedigen können. Und so stolpert man dann auch über regelrechte Fehler (z. B. ein ges in einem D-Dur-Zusammenhang), die man vielleicht geneigt übersähe, wenn die Musik berühren würde.
Bianka Wüstehube