Heygster, Malte
In kleinen Schritten zum ganzen Stück
30 leichte Klavierwerke von Bach bis Kabalewsky mit Übehilfen
Malte Heygster hat sich in den vergangenen Jahren große Verdienste erworben bei der Propagierung der relativen Solmisation in verschiedenen musikpädagogischen Bereichen. Auch der vorliegende Band benutzt die relative Solmisation als Lernweg: Alle Stücke sind mit den Silbenzeichen versehen, sodass auch Ungeübte sich hierin versuchen können. Am Ende findet der Benutzer eine Übersicht über das Silbensystem und seine Anwendungsmöglichkeiten.
Das Material des Hefts besteht aus Stücken bekannter Komponisten (Bach, Couperin, Schumann, Tschaikowsky, Kabalewsky), Stücken aus der instruktiven Literatur (Burgmüller, Rowley), einigen unterhaltsamen Stücken sowie Variationen des Autors. Ebenso findet man ausgesprochene Übungsteile zu Kadenzen und Tonleitern, die transponiert werden sollen und im Fall der Kadenzen den Akzent auf die Stimmführung legen, die auch durch das Singen auf die Silben der relativen Solmisation erarbeitet werden soll.
Umfangreichen Platz nehmen dann die Übungen zu den einzelnen Stücken ein. Sie machen teilweise die musikalische Struktur erfahrbar, zeigen Analogien zwischen verschiedenen Varianten auf, trainieren rhythmische Muster und bereiten die Hände auf die verschiedenen Griff-Folgen vor. Sehr gut sind auch einige Koordinationsübungen (Singen der Melodie mit Begleitung durch ein rhythmisches Ostinato von Körperpercussion u. Ä.). Insgesamt fällt aber auf, dass die Übungen ausschließlich sehr kleinschrittig vorgehen und dabei häufig den Akzent lediglich auf motorische Abläufe – Fingerfolgen, Griffe, Lagenwechsel usw. – legen. Der Vorschlag, die Übungen vor den Stücken zu erarbeiten, scheint mir in diesem Fall wenig sinnvoll, da es sich immer um Fragmente handelt, deren Sinn sich erst im Zusammenhang erschließt.
Musikalisch-klangliche Aufgabenstellungen sind in den Übungen kaum zu finden, auch schwierige Artikulationen werden nicht extra geübt. Teilweise wird die originale Stimmführung außer Acht gelassen. Es verwundert auch, dass im Notentext von Schumann, Kabalewsky und Couperin zahlreiche Fehler zu finden sind. Die Artikulationen in der Musette von Bach sind zumindest anfechtbar.
Es sind sehr viele Fingersätze notiert, nicht immer würde man sie überall benötigen; sie machen das Lesen manchmal schwer, teilweise stehen sie auch über den falschen Noten (unterhalb eines Akkordes, obwohl sie sich auf die obere Note beziehen). Manche bekannten Probleme (wie z. B. das unerwünschte Hervorstechen des linken Daumens im ersten Stück aus den Kinderszenen von Schumann) werden von den Übungen gar nicht erfasst. So macht der Band bei aller Sympathie, die man Anleitungen zum Üben generell entgegenbringen sollte, doch einen zwiespältigen Eindruck. Vor allem fehlt eine musikalische Vision von den Stücken als Ganzes, durch die jegliches Üben erst produktiv wird.
Linde Großmann