Keller, Christoph J.

Individueller Freiraum

Selbstständigkeit – eine Ahnung von Freiheit

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 20

Während meines Studiums unterrichtete ich stundenweise an der Musikschule des Landkreises Saar­louis, anschließend als hauptamt­liche Lehrkraft für Klavier, Musik­theorie und Kammermusik zwölf Jahre lang an der Musikschule der Stadt Oldenburg. Seit 1997 bin ich selbstständig und unterrichte Kla­vier, Kammermusik, studienvorbereitende Musiklehre und Komposition.

Mein Unterrichtsraum ist mit einem Konzertflügel, einem Klavier und Sitzmöbeln für ­Besprechungen, Proben und den Musiklehre­unterricht ausgestattet. Zudem bekommt er ein persöhnliches Ambiente durch zahlreiche Noten und Bücher. Der Eingangsbereich ist individuell und den Jahreszeiten entsprechend gestaltet. Dies führt dazu, dass die Schülerinnen und Schüler sich wohlfühlen können und ermöglicht dadurch ein intensives und konzentriertes Lernklima.
Mir ist neben der Vermittlung von Fachkompetenz die Beachtung der persöhnlichen Situation des Lernenden, seiner eigenen Biografie, wichtig. Dementsprechend sehe ich meinen Bildungsauftrag einerseits in der Pflege und Wahrung unserer vielfältigen musikalischen Tradition und in der Sensibilisierung für die zeitgenössische Tonsprache und Gedankenwelt, andererseits aber auch in der Pflege einer altersgemäßen Pädagogik und eines geistgemäßen Menschenbildes. Hier liegen große Chancen besonders beim individuell gestalteten Einzelunterricht.
Dabei ist es für mich gleichermaßen herausfordernd, ob ich einen Studienanwärter in die Etüdenwelt von Chopin einführe, einen Kollegen bei einem Mozart- oder Rachmaninow-Klavierkonzert berate oder einer jungen Schülerin die dorische Sexte und den lydischen Tritonus erkläre. Mit den Kindern Rhythmusspiele zu erfinden oder am Klangbild der Klaviersonate von Grieg zu arbeiten, ist für mich auch nach gut 30 Jahren Unterrichtserfahrung immer wieder spannend – und ich lerne dabei zudem sehr vieles durch meine Schülerinnen und Schüler.

Fachlicher Austausch mit Kollegen

Durch die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Tonkünstlerverbandes (DTKV) – wir haben eine sehr aktive Bezirksgruppe in Oldenburg – ergeben sich vielfältige Austauschmöglichkeiten, einerseits was Fachfragen betrifft, andererseits bei der Suche und Koordination von Lied- und Kammermusikpartnern. Neben meiner seit knapp 15 Jahren bestehenden Concer­tino-Konzertreihe, in der die Schülerinnen und Schüler regelmäßig auftreten können, gibt es durch den DTKV Konzerte, die nach dem Alter oder nach Themen geordnet sind. Sie bieten ein wichtiges Podium für den gemeinsamen Austausch und sind zudem immer wieder ein Anreiz für das Erproben neuer Kammermusikbesetzungen.
Für mich haben Fortbildungen, z. B. die Klavierlehrerfortbildungen des DTKV in Braunschweig und die Kongresse bzw. Seminare der EPTA, große Bedeutung. Der interdisziplinäre Fachaustausch steht hier im Vordergrund. Es macht mir besonders Freude, den Kolleginnen und Kollegen etwas Eigenes vorzustellen oder mit einem anderen Referenten über sein Dargebotenes zu sprechen. Da ich neben meiner Unterrichtstätigkeit Freiräume für eigenes Spielen und Komponieren benötige, fühle ich mich gerade in meiner Selbstständigkeit frei genug dazu. Dies wiegt für mich den Verzicht auf die soziale Absicherung einer hauptamtlich angestellten Lehrkraft auf. Natürlich ist mir dabei die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse eine große Hilfe.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2013.