Lindmaier, Hannah / Peter Röbke (Hg.)
Instrumentaldidaktik künstlerisch gedacht
Aspekte, Handlungsweisen, Perspektiven
Grundlage dieses Sammelbands sind Vorträge eines Symposiums vom April 2022 an der mdw Wien anlässlich der Emeritierung von Peter Röbke. Die Tagungsbeiträge sind um weitere Artikel ergänzt worden. Thematisch kreist die Publikation um die von Peter Röbke intensiv bearbeitete Frage „nach der Bedeutung von Didaktik in einem dem Musizieren verpflichteten Instrumental- und Gesangsunterricht“.
Im diesem Buch scheint immer wieder ein in der Instrumental- und Gesangspädagogik offenbar tief verwurzeltes Bild von zwei voneinander abgegrenzten oder gar entgegengesetzten Sphären durch – einer künstlerischen Sphäre einerseits und einer didaktischen andererseits. Dies wird z. B. spürbar, wenn die beiden Sphären direkt im Vorwort als jeweiliger „Gegenpol“ benannt werden oder Barbara Busch – kritisch hinterfragend – „Didaktik und Musizieren“ als „zwei fremde Schwestern?!“ bezeichnet.
Auch in den Überschriften der vier Abschnitte wird der Gedanke tendenziell getrennter Sphären deutlich, etwa bei der Beschreibung von „Zonen, Schwellen, Räumen“ und der „Disziplinären Vermessungen, Verortungen und Grenzüberschreitungen“ (die anderen beiden Abschnitte lauten „Künstlerisches Agieren“ und „Überzeugungen, Haltungen und Habitus von Lehrenden“).
Deutlich wird der Versuch, Grenzen zwischen vermeintlich getrennten Bereichen zu überwinden oder gar einzureißen, um die Begriffe des Künstlerischen und Didaktischen miteinander in Verbindung zu setzen. Das ist spannend, gelingt in den Beiträgen auf vielfältige Weise und macht das Buch damit lesenswert. Ein Beispiel: Kerstin Weuthen beschreibt in ihrem Beitrag das Phänomen von „Aufmerksamkeitsoptionen“ als zentrales Element einer Didaktik des Instrumentalunterrichts. Darunter versteht sie „die der Situation immanenten oder hierdurch ausgelösten möglichen Bezugspunkte subjektiver Aufmerksamkeit […], denen das Individuum den Fokus seiner Aufmerksamkeit in graduell unterschiedlicher Bewusstheit zuwenden kann“.
Die Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler kann sich dabei auf ganz unterschiedliche Aspekte im Unterricht richten (ästhetische Qualitäten, technische Aspekte etc.) und ist individuell gefärbt. Lehrkräfte können solche Aufmerksamkeitsoptionen „deuten, aufgreifen, anbieten, gestalten, reduzieren und zeigen“ und damit den Unterricht lenken. Idealerweise wird so der für die Schülerinnen und Schüler gerade zielführende Aufmerksamkeitspunkt gefunden.
Zentral ist dabei die Möglichkeit des Zeigens, das heißt im Musikunterricht des Vorspielens. So entsteht ein „kooperatives Musizieren, bei dem Lehrer:innen ihren Schüler:innen durch performative Impulse musikalische Nuancen zeigen“. In diesem Zeigen können sich künstlerisches Musizieren und ein planvolles Gestalten des Unterrichts verbinden.
Matthias Goebel