Grosse, Thomas

Instrumentaler Gruppenunterricht an Musikschulen

Eine Untersuchung am Beispiel des Landes Niedersachsen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2006
erschienen in: üben & musizieren 3/2007 , Seite 59

Im Zuge medienwirksamer, sensationeller Großprojekte wie dem Bochumer Modell „Jedem Kind ein Instrument!“, das nach einer erfolgreichen Startphase nun flächendeckend auf alle Grundschulen des Ruhrgebiets ausgeweitet werden soll, erlebt die Thematik des Instrumentalen Gruppenunterrichts (IGU) auch über die reine Musikschularbeit hinaus große Beachtung. Im Rahmen seiner Dissertation untersuchte Thomas Grosse 2003/04 an niedersächsischen Musikschulen die am Gruppenunterricht beteiligten Personenkreise: Schüler, Eltern und Lehrkräfte. Er baute auf der von 1997 bis 2000 durchgeführten Untersuchung zum IGU in Nordrhein-Westfalen auf und folgte auch in der Definition der Unterrichtsform dieser Studie.
Einen besonderen Schwerpunkt legte er auf die jeweiligen persönlichen Ziele des Instrumentalunterrichts. In seiner Auswertung setzte er mittels Faktorenanalysen die Daten von Lehrkräften, Eltern und Schülern miteinander in Beziehung, was weitergehende Ausführungen über die Zusammenhänge von persönlichen Variablen und einer Bewertung des IGU ermöglichte.
Der IGU hat sich an den Musikschulen in Niedersachsen als Unterrichtsform fest etabliert, wobei er sich an der Untergrenze von drei Lernenden pro Gruppe bewegt. Grosse ging folgenden weiterführenden Fragestellungen in seiner Untersuchung nach: Sind Schülerinnen und Schüler von den IGU ablehnenden Lehrkräften mit Unterricht und Lernerfolg messbar unzufrieden? Besteht ein verbindlicher Konsens über die Lernziele des IGU? Ist die Beurteilung des Gruppenunterrichtserfolgs von Schülerinnen und Schülern in wesentlichem Maß von der häuslichen Unterstützung abhängig? Wie in der NRW-Studie bestätigte sich, dass Eltern und Schülerschaft sich zum Unterricht zufriedener äußern als die betroffenen Lehrkräfte.
Grosse sieht das Problem des IGU folglich weniger in der Unterrichtsform als vielmehr in einer Unvereinbarkeit mit dem Berufsbild der Musikschullehrkräfte. Er warnt dringend vor einem Vergleich von Gruppen- und Einzelunterricht und empfiehlt eine klare Abgrenzung des IGU als ein inhaltlich eigenständiges Unterrichtsangebot. Selbstverständlich ziehen seine Ergebnisse für die Systematik dieses Fachs gleichermaßen Konsequenzen nach sich wie für die Ausbildung der Lehrkräfte. Hier plädiert Grosse für eine Unterweisung der Studierenden in Gruppen und sieht darin eine Möglichkeit, dass sich die Betroffenen aktiv mit der Schülerperspektive auseinandersetzen können. Ebenso fordert er eine verstärkte sozialpsychologisch orientierte Ausbildung. Ich wünsche diesem sachlich sehr informativen und interessanten Buch eine breite Leserschaft.
Ulrike Schwanse