Schewik-Descher, Wilfried

Instrumentalunterricht in der Kooperation von Musikschule und Schulmusik

Aspekte einer problematischen Partnerschaft

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Die Blaue Eule, Essen 2007
erschienen in: üben & musizieren 5/2007 , Seite 57

Alle Formen des instrumentalen Musiklernens, die außerhalb des schulischen Musikunterrichts, aber doch in dessen Verantwortung stattfinden, sowie die Begründung und Legitimation von interinstitutionellem instrumentalen Lernen sind Gegenstand einer Untersuchung, die Wilfried Schewik-Descher vorgelegt hat. Der Autor geht dabei von der nahe liegenden These aus, dass viele SchülerInnen allgemein bildender Schulen ein starkes Interesse an Instrumentalspiel und -unterricht haben und sich eine Verknüpfung von schulischem Musikunterricht und Instrumentalspiel wünschen. Ebenso attestiert er – sicher zurecht – den rund 1000 Musikschulen in Deutschland ein elementares Interesse an der Entwicklung neuer Handlungsfelder, wozu an zentraler Stelle die Annäherung der Musikschule an die allgemein bildenden Schule zählt.
Gegliedert hat Schewik-Descher sein Buch in drei Bereiche: eine theoretische, eine historische und eine schulpraktische Ebene, in der er ausführlich über ein Kooperationsmodell aus Marl referiert. In seinem historischen Abriss greift er ins 19. Jahrhundert zurück. Bereits weit vor Beginn der bürgerlichen Musikkultur fand eine Gleichsetzung von Schulmusik mit Singen statt. Instrumentales Schülermusizieren gab es in der Schule so gut wie gar nicht. Dies änderte sich teilweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als mit der Reformpädagogik neben das Singen auch das Instrumentalspiel trat.
In den 1960er und 70er Jahren stand nach den Erfahrungen der Vereinnahmung der Musikerziehung durch den Faschismus die Betonung der Geistseite sowie später dann die Hörerziehung im Vordergrund der Musikerziehung. Persönlichkeiten wie Michael Alt, Heinz Antholz sowie Dankmar Venus stehen für eine Theorie der Musikerziehung, die sich am Kunstwerk orientiert und den Wert des Musikhörens über den des Musikmachens gestellt hat. Die bahnbrechende Idee der Gesamtschule der frühen 70er Jahre war eng verknüpft mit dem Gedanken der Chancengleichheit. Aus dieser Zeit stammen erste Formen der Zusammenführung von schulischem Musikunterricht und Instrumentalunterricht. Schewik-Descher referiert in diesem Zusammenhang über wegweisende Schul(Musik)versuche in Dortmund, Münster und Hamburg.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten nehmen Kooperationsformen zwischen Schule und Musikschule spürbar zu. Instrumentalunterricht ist aus den heutigen Schulen kaum wegzudenken. Bastians Begabtenstudie von 1989 untermauert die Bedeutung des Instrumentalspiels bereits in der Grundschule, wobei es mehr um Begabtenfindung als -förderung geht. Und in unseren Tagen gibt es kaum eine weiterführende Schule, die keine Bläserklasse in Kooperation mit der örtlichen Musikschule im Angebot hat. Die Bedeutung von Kooperationen im musikalischen Bildungsbereich steht heute außer Zweifel. Zum Abschluss seines informativen und wichtigen Buchs beschreibt der Autor ausführlich eine Kooperation zwischen einer Gesamtschule sowie der Musikschule in Marl, das so genannte „MIP“ (Musik-Instrumental-Projekt).
Sicher werden manche fachlichen Ziele, die klassisch ausgebildete Instrumentallehrer aus der Musikschulpraxis gewöhnt sind, im schulischen (Groß-) Gruppenunterricht nicht zu realisieren sein: „Ein an der Notenschrift orientierter traditioneller Unterricht hat wenig Erfolg“, oder: „Nur vereinzelt ist es möglich, einen Schüler in den traditionellen Unterricht der Musikschule zu überführen.“ Auch Probleme mit Disziplin und Durchhaltekraft räumt Schewik-Descher am Schluss unumwunden ein. Doch die Vorteile einer inhaltlichen und organisatorischen Verknüpfung im Rahmen von Kooperationen zwischen allgemein bildender Schule und Musikschule überwiegen klar.
Wilfried Schewik-Deschers Buch ist uneingeschränkt empfehlenswert, leistet der Autor doch Pionierarbeit zu diesem aktuellen Thema und bietet eine gelungene Symbiose aus theoretisch fundierter historischer und fachwissenschaftlicher Forschungsarbeit und Aspekten aktueller Schulpraxis.
Uwe Sandvoß