Hradecky, Emil
Jazzetüden für junge Pianisten
Notenheft mit Erläuterungen tschechisch/ deutsch/englisch
Der tschechische Jazz- und Tanzmusiker Emil Hradecky, Jahrgang 1953, erweitert mit seinen Jazzetüden für junge Pianisten die Titelliste der Sammlungen von Klavierstücken, die KlavierschülerInnen eine Einführung in jazzorientiertes Spiel bieten. Gemäß Vorwort ist an Lernende im dritten bis fünften Unterrichtsjahr gedacht, einige der in diesem Band enthaltenen 15 Stücke könnten wohl schon früher begonnen werden. Die Palette reicht vom Tonleiterspiel bis zu Blues-Improvisationen, dazwischen gibt es Boogies und Walzer, Doppelgriffe und Blocksatz.
Die Nr. 1 bringt Tonleitern, die in swingenden Achteln zu spielen sind. Hier geht es in Ganztönen schematisch aufwärts, bricht dann ab, um andere Sequenzmodelle üben zu lassen.
Damit zeigt sich ein erstes Problem: Hradecky konnte sich nicht entscheiden, ob er nun Vortragsetüden vorlegen möchte oder nur technische Übungen. Sollte Letzteres beabsichtigt sein, hätte man z. B. in der Hanon’schen Manier verfahren können, diese in alle Tonarten zu transponieren. Einige Stücke sind tonal unausgewogen, z. B. startet Nr. 4 in c-Moll und endet in d-Moll. Andererseits zeigt Hradecky in einem Walzer (Nr. 10) kompositorisches Geschick mit Klangsinn, hier auch mit Anklängen zu einer notierten Improvisation in der Reprise. Nr. 2 widmet sich dem Oktavspiel, hier wechseln wieder verschiedene Modelle ohne deutliches Schema.
Ein zweites Problem ergibt sich daraus, dass keine Akkordbezeichnungen beigefügt sind, weshalb man Phrasen und Akkorde für sich nicht systematisieren kann. Synkopen werden unüblicherweise mit einem Staccato-Punkt versehen, um dort einen leichten Akzent anzudeuten. In Nr. 5 können Band-Sounds imitiert werden, es fehlt der Hinweis, dass es sich um ein Blues-Schema handelt.
Der Band enthält zwei konventionelle Boogies (Nr. 5 und Nr. 13) und eine Nummer mit klischeehaften Blues-Figuren (Nr. 8). Nr. 11 ist eine Reverenz an Take five, bis auf den Mittelteil, dessen Übungscharakter zu offensichtlich ist, hübsch gemacht (die rückführenden Akkorde in Takt 50 sind klanglich problematisch). In zwei abschließenden Blues-Stücken in C und in F lernt der Schüler bzw. die Schülerin über die Blues-Skala zu improvisieren; gut ist hier, dass für die linke Hand Akkordumkehrungen geliefert werden, der Lehrer übernimmt den Walking Bass. Didaktischen Fragen wird ausgewichen: Welche Rolle kommt dem Lehrer zu? Wie gelingt ein Selbststudium?
Erstaunlich ist, dass sich Hradeckys Stücke wenig von denen der alten „Klassiker“ wie Seiber, Merath, Gebhardt u. a. unterscheiden. Eine Übung wie Nr. 9 dürfte heutigen KlavierschülerInnen zu altmodisch sein; hier zeigt sich, dass der Autor eben vor allem auch Tanzmusiker ist.
Christian Kuntze-Krakau