Hradecky, Emil
Jazzstücke für zwanzig Finger
Notenheft mit Vorwort in tschechisch/deutsch/englisch
Die Leichten Tänze von Mátyás Seiber halten im Unterhaltungsmusikrepertoire für den Klavierunterricht die Königsposition. Seiber bleibt ein Übervater für Komponisten, die sich auf dieses Terrain begeben. Davon ist auch Emil Hradeck´y in seiner Sammlung vierhändiger Klavierstücke nicht frei; dies zeigt sich z. B. in der Wahl von Tonarten (d-Moll beim Tango), dem Bau vom Themen (die wandernde Septime im Walzer und in Seibers Habanera) oder der Aufgabenverteilung zwischen den Spielern (Samba und Rumba). Den Charme von Seibers Musik erreicht Hradeck´y nur in vereinzelten Momenten.
Das Heft enthält acht Stücke. Der Walzer zeigt melodisch eine schöne Erfindung, im B-Teil wandert die Melodie in den Secondo-Part, die Reprise nimmt eine rhythmische Variante aus dem Kontrastteil auf. Überhaupt sind alle Stücke in der A-B-A-Form oder, diese erweiternd, als Rondo angelegt, die Geradtaktigkeit der Gruppenbildung wird stets eingehalten. Für Blues und Boogie gibt es im Vorwort einen knappen Hinweis auf die ternäre Spielweise. Im Mittelteil des Blues ist für den Primo-Spieler eine Improvisation über die Bluestonleitern der angegebenen Akkorde vorgesehen. In der Einleitung herrscht zwischen den SpielerInnen ein call-and-response-Verhältnis, im Hauptteil erscheint mit einer Quintschritt-Sequenz eine harmonische Variante, das Zusammenklingen von C7 mit dem Melodieton f ist hart (T. 22). Der Boogie ist für den unteren Spieler leicht, wird doch die typische Figur einfach auf beide Hände verteilt. Der Wechsel der Tonarten (von f nach d und zurück) erfolgt über einen übermäßigen Dreiklang, ein Mittel, das der Komponist öfter einsetzt.
Wie eine Tanzmusik der 50er Jahre klingt der Cha-Cha-Cha. Ungewöhnlich ist, dass die Drei-Achtel-Gruppe, die dem Tanz den Namen gibt, mal auf zwei und mal auf drei beginnt. Die Taktart des Ragtime ist untypisch gewählt (Vierviertel- statt Zweiviertel-Takt). Sein Thema besteht aus Versatzstücken, kurzen Stilzitaten, die zusammengeklebt wurden. Der Samba hat einen guten Groove, auf dem sich die weit geschwungene Melodie ausbreiten kann. Der Tango ist wenig argentinisch, eher etwas altmodisch europäisch, zu erkennen z. B. an der Punktierung auf der vierten Zählzeit. Kompositorisch zeigt Hradeck´y hier viel Geschick: Die rhythmische Gestalt von Teil A erscheint als Kontrapunkt in Teil B wieder, dies läuft im Primo auch zeitgleich ab (T. 53 ff.).
Das Schlussstück Clowns, eine Art Quickstep, ist virtuos, fast wie eine Etüde. Unangenehm zu spielen ist die linke Hand des Primo, da hier Begleitfiguren auftreten, die nicht immer gut in der Hand liegen und auch nicht systematisch angeordnet sind. Die Akkorde in der rechten Hand des Secondo sind nicht glücklich gesetzt, sie springen häufig. Dieses Stück hat im Vortrag sicher eine gute Wirkung.
Der Schwierigkeitsgrad der Stücke ist unterschiedlich (insgesamt zwischen 2 und 3). Für den Klavierunterricht sind sie geeignet, auch im Zusammenspiel gleichaltriger KlavierschülerInnen sorgen sie sicher für viel Freude. Der Titel erweckt falsche Assoziationen, mit Jazz haben allenfalls Blues und Boogie zu tun, ansonsten verbleibt Hradeck´y in Stilistik, Form und Harmonik ganz im Rahmen der Tanzmusik. Das Heft ist betont unzeitgemäß, solche Stücke hätten auch schon vor 40 Jahren geschrieben werden können.
Christian Kuntze-Krakau