Keller, Christoph J.

Kaleidoskop

Fünf klangexperimentelle Miniaturen für Flügel

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Inventio, Berlin 2010
erschienen in: üben & musizieren 4/2011 , Seite 64

Der vorliegende Band Christoph J. Kellers zeigt, ebenso wie seine in den vergangenen Jahren erschienenen Klavierwerke, die pädagogischen Erfahrungen des Komponisten und seine Vertrautheit mit dem Instrument. Die Stücke sind kurz – meist nur zwei Seiten lang –, klanglich reizvoll und von moderater Schwierigkeit (z. B. kommen keine großen Griffe vor). Einzig die Notwendigkeit, auch mal im Innenraum des Flügels zu agieren, erfordert eine gewisse Körpergröße, um die Saiten im Stehen zu erreichen und gleichzeitig noch das Pedal zu treten.
Alle Register des Klaviers werden ausgenutzt, das Pedal spielt eine wesentliche Rolle und ist auch sehr genau notiert, ebenso wie alle dynamischen Relationen und die Artikulation. Sehr hilfreich sind die ausführlich angegebenen Fingersätze, die Bequemlichkeit mit Ausdrucksqualitäten verbinden. Das „Präparieren“ erfolgt durch auf die Saiten gelegte Papierbögen bzw. Kunststofflineale, ist also ungefährlich für das Instrument und sehr leicht und schnell vorzubereiten und wieder zu entfernen.
Die im Titel genannten Klangexperimente entstehen durch Verfremdung des Klangs im Ergebnis der Präparation, durch Glissando auf den Saiten, Zupfen, Erzeugen von Resonanzklängen mit Hilfe stumm gedrückter Tas­ten, Benutzung von Pedalgeräuschen und Klopfen auf verschiedene Stellen des Instruments (auf Rahmen und Metallstreben). Etwas schwierigere Aufgaben erwarten den Spieler im Bereich des Rhythmus: asymmetrische Proportionen (3:4, 6:4, 2:3), ternäre und binäre Spielweise innerhalb desselben Stücks (im Blues) und überhaupt das Nebeneinander vieler unterschiedlicher Notenwerte. Koordinatorisch geht es um schnelle Wechsel zwischen den verschiedenen Aktionsorten auf der Tastatur oder im Innenraum, Kontrolle des Zusammenwirkens von Händen und Pedal und um differenzierte Beherrschung der Dynamik. Die SpielerInnen können sich hier mit typischen Kompositionsverfahren aus der zeitgenössischen Klaviermusik vertraut machen.
Die Titel lenken die Fantasie dabei in bestimmte Richtungen (Kaleidoskop, Wie ein Choral, Klangdialog, Fast ein Blues, Klänge der Nacht) und können vor einem abstrakt-neutralen Spiel bewahren.
Ein knappes Vorwort in Deutsch und Englisch gibt noch nützliche praktische Hinweise für das Erarbeiten und die Aufführung der Stücke. So kann der Band, der sich auch durch eine sehr angenehme äußere Gestaltung auszeichnet, SpielerInnen und Lehrkräften auf jeden Fall empfohlen werden.
Linde Großmann