Kiwi Karakia

Acht Songs der Maori aus Neuseeland, für Akkordeon arrangiert von Ralf Schwarzien

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Eres, Lilienthal 2012
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 61

Der schöne exotische Umschlag des Hefts mit Maori-Geschnitztem und -Gewebtem, die kleinen Maori-Embleme am Nummern­ende und die Maori-Titel stehen in Kontrast zum musikalischen Inhalt des vorliegenden Bändchens. Die kulturelle Renaissance der Maoris in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, die einer Verwestlichung ihrer Kultur, insbesondere der Musik, gegensteuerte, ist den Songs nicht anzumerken.
„Hui“ und „wananga“, die zeremoniellen Zusammenkünfte und Bildungsforen der Maoris, befassten sich mit den Wurzeln ihrer ostpolynesischen Urheimatgebiete, die sie vom 9. Jahrhundert an verließen. Auf der einen Seite gab es, wie in vielen Liedern eines Volkes, Funktionsmusik wie etwa rezitativische Gesänge und Rufe zur Begrüßung, Wachgesänge zur Sicherung eines Dorfs vor Feinden, oft durch die Schneckentrompete begleitet. Arbeitslieder z. B. zum Einholen der Kanus oder zum Graben nach Süßkartoffeln existieren noch heute.
Meist aber besangen diese „waiata“ ernste Anlässe in Form von Klage und Trauer, unglück­licher Liebe usw. „Oriori“ waren so genannte Lehrlieder zur Darstellung der Familiengeschichte oder Schlaflieder. Als Tanz wurden oft Kugeln an verschieden langen Schnüren geschwenkt und dabei eine große Virtuosität entwickelt. Eine Vielzahl an Flöten, an der Kante schräg, ab und zu durch das Nasenloch geblasen, Rasseln, Maul- und Schlitztrommeln, der gezupfte Musikbogen aus einem Knochen mit einer Hanfsaite und das auch symbolisch bedeutsame Schwirr­holz gehörten zum reichhaltigen Instrumentarium. Kleine, enge Tonreihen mit einem meist mittigen Zentralton waren vor allem melodische Grundlage in Verbindung mit oft stereotypen wie auch unregelmäßigen Metren.
Insbesondere die im 19. Jahrhundert eingewanderten Europäer verdrängten dann im Verein mit der christlichen Mission die Musik der Maoris bzw. verwestlichten sie, vor allem im Bereich der Harmonik, in der die Moll- und Dur-Tonalität das Vorhandene ummodelte bzw. ihm Harmonien erst hinzufügte. Dennoch erhielten die Maoris bestimmte Äußerlichkeiten in ihrer Musik – wie Grimassenschneiden oder Tanzformen – bis heute.
Die vorliegenden „Acht Songs der Maori“ haben gar nichts mit der alten Maori-Musik zu tun, sondern sind schon beim ersten Blick auf die Noten als schlagerähnliche Melodien in Dur zu identifizieren. Lediglich die jedem Song zugeordneten stereotypen Begleitmuster der linken Hand des Standardbassakkordeons lassen einen gewissen technischen Wert der Koordination zwischen rechts und links (z. B. Nr. 7 „Karu, Karu“) ausmachen. Die Stücke entsprechen einem Imagesegment des Bearbeiters, das sich auch aus seiner Tätigkeit als Dozent für Popularmusik bei Lehrgängen etc. speist. Außer dem besagten Etüdischen ist diesen Nummern nichts musikalisch Wertvolles abzugewinnen. Und eigenwillig, wie im Vorwort bezeichnet, sind die Melodien nicht – eher das Heft-Cover.
Maximilian Schnurrer