Linde, Hans-Martin

Klangbilder

Musical Paintings für ­Altblockflöte und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2019
erschienen in: üben & musizieren 6/2019 , Seite 59

Hans-Martin Linde, dieser Name steht quasi synonym für neuzeitliche Blockflötenmusik und jeder ambitionierte Blockflötist hat zweifelsohne das eine oder andere Stück dieses Komponisten (*1930) gespielt oder zumindest im Notenschrank stehen. Mit dem kleinen Band Klangbilder kommen nun die drei 2016 entstandenen Stückchen Klangwege, Klangspuren und Nachklang für Altblockflöte und Klavier dazu – die wohl nicht jedermanns Geschmack treffen dürften.
Den dem Weihnachtsvorspiel der Musikschule lauschenden Großeltern dürften sie wahrscheinlich nur eingeschränkt entsprechen. Denn die drei kurzen Stückchen, die je etwa ein bis zwei Minuten dauern, sind – bis auf ein kurzes Gibbons-Zitat im dritten – komplett atonal angelegt, wild und recht konstant dissonant und greifen immer wieder auf moderne Spieltechniken zurück wie Flatterzunge, Zischen, Glissandi etc. Da sie den Ambitus der Altblockflöte vollständig ausloten, erklingen auch die einen oder an­deren schrillen Töne. Und auch rhythmisch bieten die Kompositionen wenig Orientierung für den Ersthörer: Mehrfach wechselnde Taktarten prägen alle drei Stücke; in den Klangspuren finden sich dazu noch spätestens nach jeweils drei bis vier Takten neue Tempoangaben, und auch die beiden anderen laufen nicht gleichmäßig durch. Insofern bleibt beim Hören erst einmal nichts, woran man sich festhalten kann – es sei denn, man lehnt sich entspannt zurück und genießt den Klang der Instrumente.
Für FlötistInnen dagegen bietet sich hier Gelegenheit, nicht nur die erwähnten Spieltechniken einzusetzen, sondern auch chromatische Töne zu spielen und das Rhythmusgefühl zu schulen: Wer in diesen Stücken nämlich nicht hundertprozentig rhythmussicher ist, hat schlechte Chancen, die jeweils nächste Fermate pünktlich zu erreichen; und sicher nicht gleichzeitig mit dem Klavier. Zum Glück sind der Fermaten jedoch reichlich, so- dass sich die SpielerInnen im Notfall immer wieder treffen können… Und, seien wir ehrlich: Vermutlich wird auch noch beim dritten Hören nicht auffallen, dass da etwas auseinanderklafft; dafür gibt es, wie gesagt, nicht genügend Orientierungspunkte.
Der technische Anspruch an den Flötisten ist durchaus hoch, und auch musikalisch verlangt Linde mit seinen ständig wechselnden Spielanweisungen einiges. Der Pianist sollte ebenfalls ein sehr gutes Rhythmusgefühl, aber vor allem auch flinke Finger und keine allzu kleinen Hände besitzen. Das Klavier hat jedoch eher begleitende Funktion und der Part ist technisch nicht übermäßig schwer, wenn man die rhythmischen Finessen einmal begriffen hat.
Aber auch hier gilt: Das Schwierigste an der Sache ist sicherlich, dieser so kleinteiligen Musik Atmosphäre zu verleihen – Klangbilder zu malen eben!
Andrea Braun