Ahner, Philipp
Klangexpeditionen
Klänge von Instrumenten und Stimme mit Hilfe von Apps erforschen
„Warum klingt meine Querflöte so komisch, wenn ich sie mit dem Handy aufgenommen habe?“ oder „Warum klingt meine Stimme viel besser, wenn ich zu Hause im Wohnzimmer übe?“ Solche Fragen von SchülerInnen sind Ihnen sicher schon begegnet. Und natürlich sind Sie in der Lage, ihnen die Gründe zu erklären. Aber wäre es nicht spannender, motivierender und nachhaltiger, wenn die SchülerInnen selbst die klanglichen Phänomene im Kontext des Unterrichts und Übens mit ihrem Instrument oder ihrer Stimme erforschen? Zwei Beispiele für Klangexpeditionen mit Instrument oder Stimme und dem Einsatz von Apps werden hier vorgestellt.
Klang ist die zentrale Dimension des Musizierens und damit grundlegende Voraussetzung für das Erlernen eines Instruments oder der Stimme. „Schwingende Körper, wie Saiten, Membrane oder Klangstäbe, rufen in ihrer direkten Umgebung Druckschwankungen hervor, die sich in Form von Schallwellen durch den Raum ausbreiten.“1 Das dadurch entstehende Schallereignis wird in der Akustik in Töne, Klanggeräusche und Knall unterschieden.2 In diesem Beitrag konzentriere ich mich auf Klänge als zentrales Moment menschlicher Sinneswahrnehmung beim Musizieren.
Wir nehmen die Schallereignisse am und im ganzen Körper wahr und natürlich insbesondere über das Hörorgan. In Abhängigkeit von Intensität und Frequenz sind jedoch neben dem Hören andere Sinneswahrnehmungen ebenso bedeutsam (beispielsweise bei tiefen Tönen Organe wie Haut, Zwerchfell oder Magen). Unser Körper reagiert dabei nicht nur auf die (primäre) Schallquelle, sondern gleichermaßen auf die Resonanz(en) der räumlichen Umgebung, also auf die Raumakustik,3 die auch von der An- oder Abwesenheit weiterer Personen im Raum abhängt. In der Akustik werden hierfür Begriffe wie Reflexion, Nachhallzeit oder Hallradius verwendet. Das Erleben von Klang – indem auch unser Körper resoniert – ist ein ganzheitliches Ereignis in der Interaktion der sozialen und materiellen Umgebung. Umgangssprachlich sprechen wir etwa von einem warmen, trockenen oder halligen Raumklang oder auch von einem plärrigen, satten oder vollen Klang, wenn ein Lautsprecher als Schallquelle dient.
Die Zeiten der coronabedingten Einschränkungen von Präsenzunterricht und der Wechsel in notdürftig improvisierte, private Lehr-Lern-Umgebungen mit zum Teil schlechten klanglichen Übertragungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten haben die zentrale Bedeutung von Klang verdeutlicht.4 Auch wenn Lehrende wie Lernende im Laufe der vielen Monate des strukturierten Onlineunterrichts im Umgang mit Technologien zur Aufnahme, Übertragung und Wiedergabe von Bild und Ton kompetenter geworden sind: Klangliche Unterschiede zwischen dem Unterricht vor Ort und digitalen Kanälen, zwischen dem Vorspiel vor Ort und der Zusendung von Aufnahmen über eine App sind sofort auszumachen. Oder bilden wir uns das nur ein?
Musiklernen mit digitalen Mitteln
Mit Blick auf die große Vertrautheit der Lernenden mit mobilen digitalen Geräten können „Smartphones als mobile Mini-Labore zum Experimentieren“5 mit Klangphänomenen in einem schülerzentrierten Unterricht genutzt werden. Zur Systematisierung der Intention von Technologien und Applikationen aus pädagogischer Perspektive gibt es zahlreiche Modelle. Beispielsweise wird im „Padagogy Wheel“6 auf Grundlage des „SAMR Modells“7 unterschieden, ob Abläufe in Lernprozessen durch die Verwendung von Apps ersetzt, erweitert oder grundlegend verändert werden oder ob sie ganz neue Elemente oder Prozesse für das Lernen bereitstellen. In ähnlicher Weise finden sich weitere Systematisierungen, in denen Apps beispielsweise als Hilfsmittel, Werkzeuge oder Musikinstrumente sortiert werden.8
1 Vogt, Patrik/Hirth, Michael/Kasper, Lutz/Klein, Pascal/Küchemann, Stefan/Kuhn, Jochen: „Akustik“, in: Kuhn, Jochen/Vogt, Patrik (Hg.): Physik ganz smart, Berlin/Heidelberg 2019, S. 104.
2 Für einen leicht verständlichen Überblick sei an folgende Publikation verwiesen: Stiftung Haus der kleinen Forscher (Hg.): Klänge und Geräusche. Akustische Phänomene mit Kita- und Grundschulkindern entdecken, 2019, S. 48 f., www.haus-der-kleinen-forscher.de/fileadmin/Redaktion/1_Forschen/Themen-Broschueren/Broschuere_Klaenge_Geraeusche_2019.pdf (Stand: 23.6.2022).
3 Pierce, John R.: Klang. Musik mit den Ohren der Physik, Heidelberg 21999, S. 48 f.
4 Ahner, Philipp: „Musizieren im Corona- und Post-Corona-Modus. Digitalität, Digitalisierung und Homeschooling in musizierpraktischen Perspektiven“, in: Stange, Christoph/Zöllner-Dressler, Stefan (Hg.): Denkkulturen in der Musiklehrer*innenbildung, Münster 2021, S. 81.
5 Kuhn/Vogt, a. a. O., S. 1.
6 Carrington, Allan: The Padagogy Wheel ENG V5.0., 2018, https://designingoutcomes.com (Stand: 23.6.2022).
7 Wilke, Adrian: Das SAMR Modell von Puentedura, Universität Paderborn, 2016, http://homepages.uni-paderborn.de/wilke/blog/2016/01/06/SAMR-Puentedura-deutsch (Stand: 23.6.2022).
8 Ahner, Philipp: „Digitalisierung“, in: Jank, Werner (Hg.): Musik-Didaktik. Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II, Berlin 2021, S. 237-243.
Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2022.