Boll, Thomas

Klarinettenschule

Band 1

Rubrik: Noten
Verlag/Label: il gatto musicale, Kassel 2010
erschienen in: üben & musizieren 2/2012 , Seite 63

Mit gutem Recht können Instrumentallehrkräfte von einem neuen Unterrichtswerk erwarten, dass es methodisch durchdacht ist, eine großzügige und vielseitige Auswahl an Übungsstücken enthält und ein ansprechendes Layout vorweist. Wird auch noch ein besonderer Schwerpunkt in der Konzeption erkennbar, dann lohnt sich eine intensivere Auseinandersetzung.
Thomas Bolls Klarinettenschule, die sich an Erwachsene und jugendliche SchülerInnen richtet, wird diesen Erwartungen jedoch kaum gerecht. Der Versuch, etwas Eigenes einzubringen, besteht darin, dass – wie der Klappentext erläutert – „erstmalig das Erlernen der Haupt- und ­Alternativgriffe“ getrennt wird und der b/f”-Hebel für den kleinen Finger der linken Hand bewusster eingesetzt werden soll. Dabei ist bereits die Unterscheidung von Haupt- und Alternativgriffen zu hinterfragen, da es im spieltechnischen Ablauf bei man­chen Griffkombinationen notwen­dig ist, zwei Griffarten gleichberechtigt zu beherrschen.
Als methodische Neuheit werden außerdem 16 Übekärtchen mit schwierigen Griffverbindungen angepriesen. Dies ist durchaus eine sinnvolle Idee, die aber im Verlauf des Lehrwerks weder kommentiert noch bewusst eingesetzt wird. Hätte Thomas Boll dieses Prinzip durchgehend zur Methode erhoben und z. B. auch mit Rhythmuskärtchen etc. kombiniert, wäre daraus etwas sehr Brauchbares entstanden.
An vielen Stellen des Hefts macht sich eine mangelnde Systematik bemerkbar. Dies beginnt schon bei so einfachen Dingen wie den ersten Erläuterungen zur Klarinette. Auf Seite 5 wird der Zusammenbau der Klarinette erklärt, zwei Seiten später das Auseinandernehmen und Putzen. Dem Anfänger einige Seiten weiter zu empfehlen, sich vier Blätter zuzulegen, um das eben gespielte Blatt dreimal aussetzen („sich erholen“) zu lassen, ist hier fehl am Platz. Unsystematisch ist auch die Abfolge der ein- bis zweistimmigen Übungsstücke, die mit Volksliedern, Folklore und einigen Opernmelodien zwar akzeptabel ist, aber einen progressiven Aufbau der Spieltechnik und der musikalischen Entwicklung vermissen lässt.
An diesen grundlegenden Mängeln erkennt man schon, dass bei der Herausgabe der Schule kein Lektor beratend tätig war. Dieser hätte zudem die sprach­lichen Mängel beseitigt und für ein attraktiveres Layout (z. B. ohne überdimensionale Tonbuchstaben) sorgen können.
Zum Glück gibt es auf dem Notenmarkt erfreulichere Alternativen, sodass niemand auf diese – wohl im Selbstverlag erschienene – Klarinettenschule von Thomas Boll angewiesen ist.
Heribert Haase