Meyer, Claudia / Ulrike Tiedemann / Anne Weber-Krüger

Klassenstreicher

Elementare Musikpraxis mit Streichinstrumenten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Der andere Verlag, Tönning 2010
erschienen in: üben & musizieren 4/2010 , Seite 54

Streicherklassenunterricht hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Dies zeigt sich an der wachsenden Zahl von Schülerinnen und Schülern in Streicherklassen in der Statistik des Verbands deutscher Musikschulen ebenso wie an einer mittlerweile stattlichen Reihe von Veröffentlichungen. Meist orientieren sich die entsprechenden Hefte an der Methodik von Paul Rolland und richten sich an fünfte und sechste Klassen in weiterführenden Schulen. Mittlerweile liegen jedoch auch Publikationen speziell für die Grundschule vor.
Dennoch betreten Claudia Meyer, Ulrike Tiedemann und Anne Weber-Krüger von der Hochschule für Musik und Tanz Köln mit ihrem jüngsten Buch Neuland. Zunächst einmal legen sie keine Kinderhefte vor, sondern liefern ein Buch für Lehrkräfte, in dessen Zentrum sieben „leistungsheterogen“ arrangierte Lieder und eine Vielzahl dazugehöriger Spielideen stehen. Es kommt hier offensichtlich mehr auf das „Wie“ als auf das „Was“ an. Denn vor allem versteht sich ihr Streicherklassenkonzept dem Untertitel gemäß als „Elementare Musikpraxis mit Streichinstrumenten“. Es will die Kinder allgemein „in der Entwicklung musikbezogener Kompetenzen“ fördern und so den schulischen Musikunterricht ergänzen. Als Schwerpunkte werden Kreativität, Exploration und musikalische Kommunikation genannt – Stichworte, die im Allgemeinen nicht unbedingt mit Streicherklassen assoziiert werden.
Besonders deutlich wird dieser Ansatz in den vorgeschlagenen Aktionen, die die ausgewählten Lieder komplettieren. Dabei wird jeweils das Thema des Lieds aufgegriffen und in Form fantasievoll erdachter Spiele weiter verfolgt. Hier schlüpfen die Kinder etwa in die Rolle von Schafen, Vögeln, Einkaufenden oder Wichteln und setzen sich gleichzeitig mit speziellen spieltechnischen Herausforderungen oder musikalischen Patterns auseinander. Diese Patterns werden über den Text erarbeitet, mittels einer Rhythmussprache gefestigt und schließlich in den Liedern als Begleitmuster verwendet. Reizvoll ist dabei das Übereinanderschichten mehrerer Patterns zu vergleichsweise komplexen rhythmischen Gestaltungen.
Ein eigenes Kapitel widmet sich der Spieltechnik. Hier überraschen die Autorinnen gleich zu Beginn mit raffinierten Versen zum Ansetzen der Instrumente in jeweils mehreren Schritten. Der allgemein musikalischen Zielsetzung entsprechend wird im ersten Unterrichtsjahr überwiegend auf leeren Saiten musiziert, allerdings werden bereits verschiedenste Techniken wie unterschiedliche Pizzicati, Tremolo und Col legno eingesetzt. Im zweiten Jahr kommt das Greifen hinzu, das mit Klebepunkten unterstützt wird, welche auf dem Griffbrett ertastet werden können.
Die Autorinnen empfehlen einen Beginn im zweiten oder dritten Grundschuljahr. In der organisatorischen Gestaltung, die ausführlich – teilweise unter Berücksichtigung verschiedener Modelle – dargelegt wird, zeigen sich weitere Akzente. So wird etwa für eine differenzierte Teamarbeit plädiert. Für den Unterricht gehen die Autorinnen von drei Lehrkräften aus, nämlich jeweils einer Instrumentallehrkraft für hohe und für tiefe Streicher sowie einer Grundschullehrkraft. Dabei soll in zwei Räumen gearbeitet werden, wodurch jeweils eine Instrumentalgruppe von den anderen getrennt unterrichtet werden kann.
Am Ende jedes Unterrichtsjahrs steht ein moderiertes Konzert gemeinsam mit fortgeschrittenen oder professionellen Musikerinnen und Musikern. Grundlagen dieser inszenierten Kinderkonzerte werden am Ende des Buchs detailliert entfaltet und mit konkreten Beispielen illustriert. Eine Checkliste rundet das Buch ab.
Meyer, Tiedemann und Weber-Krüger halten, was der Untertitel des Buchs verspricht: Sie zeigen einfallsreich und prägnant Wege für eine Elementare Musikpraxis mit Streichinstrumenten in Grundschulklassen auf und begründen damit gewissermaßen eine neue und eigene Form musikpädagogischer Praxis. Lehrkräfte können hier vielerlei Anregungen gewinnen und für die eigene Arbeit fruchtbar machen.
Michael Dartsch