Blum, Reinhard / Johannes Steiner (Hg.)

Klavierpraxis im Fokus des modernen Musik­unterrichts

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Waxmann, Münster 2019
erschienen in: üben & musizieren 5/2019 , Seite 60

Klavierpraxis, in Deutschland meist als „Schulpraktisches Klavierspiel“ ein Begriff, wurde als Ausbildungsfach für angehende Musiklehrer an allgemeinbildenden Schulen in der Vergangenheit in seiner Bedeutung oft unterbewertet. Für die pianistisch vorgebildeten Studierenden ist es als gesangbegleitendes Klavierspiel oder als skizzierende Darstellung jedweder melodischer und harmonischer Zusammenhänge kaum je ein ernstes Problem. Für „klavierferne“ MusikpädagogInnen jedoch wird es oft zum heiklen und gern umgangenen Prüfstein sowohl in ihrer Ausbildung wie in der berufsbezogenen Anwendung.
Das Department für Musikpädagogik Innsbruck (als Institut der Universität Mozarteum Salzburg) richtete im November 2017 zu diesem Themenkomplex eine Tagung aus, deren wichtigste ­Ergebnisse sieben AutorInnen im vorliegenden Band zusammenfassen. Geht ein Fachmann wie der Innsbrucker Dozent Reinhard Blum das Thema definitorisch an, so verdichten sich die „Lernfeldkomplexe“ um selbstbegleitetes Singen, Spielen nach Akkordsymbolen, Improvisation, Arrangieren, Blattspiel etc. zu einem Anforderungsprofil, das selbst erfahrenen PädagogInnen und PianistInnen Respekt einflößen dürfte. Blum sieht die Aneignung von Popularmusik als „modellbegründenden“ und das Erlernen traditioneller Klavierliteratur als „ergänzenden Faktor“ der methodischen Handlungsfelder, die natürlich auch auditive Kompetenzen und ein „notenbasiertes Theorieverständnis“ mit im Blick haben. Er ist dabei von den ­„zyklischen Lernzugängen“ über­zeugt, wie sie Alfred North Whitehead bereits 1916 in seinem Buch The Aims of Education (deutsch 2012) formuliert hat.
Isabel Gabbe, Professorin für Klavierdidaktik in Innsbruck, plädiert für den Einsatz klassischer Stücke im Fach Schulpraktisches Klavierspiel; sie führt dabei in zahlreichen Notenbeispielen Modelle einer allmählichen Erarbeitung von Melodik, Rudimentärharmonisierung, faktureller Ausdifferenzierung etc. an, wie sie in etwa dem „Invariantenspiel“ von Günter Philipp (Klavierspiel und Improvisation, 2003) entsprechen. Fritz Höfer, Musikpädagogikprofessor in Salzburg, befasst sich mit den ästhetischen, philosophischen und pädagogischen Möglichkeiten, die der Einsatz digitaler Flügeltechniken in der Musikausbildung eröffnet, etwa in Form einer wiedergabegestützten Selbstkontrolle oder durch Überlagerung analoger und digitaler Klangerzeugung.
Die Aufsätze Johannes Steiners zum „Selbstbegleiteten Singen in der Schule“ und von Heike Henning über das oft unterschätzte Gebiet des „Chorbegleitens“ er­örtern wichtige Bereiche des klaviergestützten vokalen Musizierens. Insgesamt bietet das Buch zahlreiche neue, auch überraschende Aspekte des Fachs „Klavierpraxis“, das die Herausgeber in einem „dynamischen Wandlungsprozess“ begriffen sehen, wie sie im Schlusswort betonen.
Rainer Klaas