Hakim, Naji

Korean Prelude

für Klavier (Orgel)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2017
erschienen in: üben & musizieren 3/2018 , Seite 56

Naji Hakim wurde 1955 in Beirut (Libanon) geboren. Er studierte bei Jean Langlais Orgel und Komposition. Es folgten Studien am Conservatoire National Supérieur de Paris, wo er zahlreiche Preise gewann. Nachdem er von 1985 bis 1993 das Amt des Titularorganisten der Basilika Sacré-Cœur de Montmartre innehatte, wurde er 1993 Nachfolger von Olivier Messiaen an der Église de la Trinité und bekleidete dieses Amt bis 2008. Heute ist er Professor für Harmonielehre am Conservatoire National de Région de Boulogne-Billancourt sowie Gastprofessor an der Royal Academy of Music in London.
Hakim ist als weltweit konzertierender Organist ebenso erfolgreich wie als Komponist. Sein umfangreiches Œuvre umfasst Solowerke für Orgel und Klavier, Kammermusik, sinfonische Musik sowie Vokalmusik. Als Komponist schöpft er aus unterschiedlichen Traditionen. Neben dem gregorianischen und dem lutherischen Choral nennt er als wichtige musikalische Inspira­tionsquellen auch maronitischen Gesang, dänische Hymnen sowie Volkslieder.
Anlässlich eines Konzerts an der EWHA Universität in Seoul im Jahr 2004 improvisierte er über eine Melodie von Kiyoung Ahn, einem ehemaligen Professor dieser Universität. Diese Melodie wurde zwölf Jahre später zur Grundlage des Korean Prelude für Klavier oder Orgel. Das nur zwei Seiten umfassende Stück ist recht leicht spielbar (Schwierigkeit 2-3 nach der Einstufung des Verlags) und gibt daher auch wenig virtuosen SpielerInnen Gelegenheit, Hakims traditionsbewusste und zugleich eigenständige Tonsprache kennenzulernen.
Die feierliche, in Vierteln und Halben fortschreitende koreanische Melodie ist Oberstimme eines kunstvoll ausgeführten vierstimmigen Satzes. Die drei Begleitstimmen sind rhythmisch so gestaltet, dass sich in ihrem Zusammenwirken fast durchgängig eine weich fließende Achtelbewegung ergibt. Das Stück bewegt sich in der mittleren bis hohen Lage – über weite Strecken ist die linke Hand im Violinschlüssel notiert. So entsteht auch bei dichtem Satz ein schwebender, heller Klang.
Die Satztechnik ist tonal, wobei reine Dreiklänge vermieden und meistens durch Quintsextakkorde und Septakkorde ersetzt werden. Obwohl das Stück sich eindeutig auf Es-Dur beziehen lässt, notiert der Komponist keine Tonart-Vorzeichnung, sondern nur Versetzungszeichen. Für den Hörer macht das keinen Unterschied, aber als SpielerIn fühlt man sich in eine offene, weite Landschaft versetzt und weniger festgelegt, als wenn die Vorzeichen dastünden. Ein schönes, meditatives Stück, piano dolce legato zu spielen.
Sigrid Naumann