Marggraf, Jens

Kreuzfahrt

7 Duette für 2 Blockflöten

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Mieroprint, Münster 2007
erschienen in: üben & musizieren 2/2008 , Seite 63

Vom China des 7. bis zum Amerika und Europa des 20. Jahrhunderts: Diese sieben Flötenduette bieten Abwechslung, sowohl was die stilistische Zuordnung in eine Zeit als auch in eine Kultur betrifft – und schließlich noch hinsichtlich der zu spielenden Flöten von Sopranino bis Bass. Der Komponist hat sich hier von verschiedensten Instrumenten und Musikstilen aus der ganzen Welt beeinflussen lassen und versucht, die gehörten Klangfarben und Eigenheiten in moderne Musiksprache übersetzt mit zwei Flöten nachzuempfinden.
So kann man im ersten Duett der ugandischen Harfe Ennanga nachspüren, indem beide SpielerInnen jeweils versetzte Achtel im Staccato spielen, wobei man dem je eigenen Beat zu folgen hat. Ein anderes Stück möchte sich Kompositionen aus der chinesischen Táng-Zeit (618-970) annähern und arbeitet mit dafür typischen Quartparallelen und strukturellen Verschiebungen.
Ein Spiel der kanadischen Inuit verlangt im Original eine ununterbrochene Tongebung mit der Stimme – sowohl beim Ein- als auch beim Ausatmen; wer zuerst lacht, hat verloren. Marggraf setzt das um, indem er zwei Tenorflöten pausenlos spielen lässt bis zum abgerissenen Schluss mitten in der Linie. In Tuva am Kaspischen Meer pflegt man dagegen den Obertongesang, der hier imitiert wird, indem eine Bassflöte Grundtöne spielt, die gleichzeitig mitgesungen werden, worüber eine Sopraninoflöte in Obertönen schwelgt. Ein weiteres Duett für zwei Tenorflöten orientiert sich harmonisch an russisch-orthodoxen Gesängen des 16./17. Jahrhunderts, bevor zwei weniger exotische Nummern an Olivier Messiaen und die amerikanische Minimal Music gemahnen.
Das alles ist recht originell; nur hat der durchschnittliche Flötist gemeinhin wenig Vorstellung davon, wie die meisten der von ihm hier nachzuahmenden Instrumente und Stile denn in natura klingen könnten. Die kurzen Erläuterungen im Heft helfen nicht viel weiter. Da stellt sich nun die Frage, ob es denn überhaupt die Absicht der Duette ist, eine möglichst naturgetreue Nachahmung der ideegebenden Instrumente oder Stile anzuregen, oder ob man diese Art von Programm nicht einfach beiseite lassen und jedes Stück nach dem durchgängig traditionellen Notentext spielen sollte. Verfährt man solcherart, findet man hier eine Reihe von quasi modalen, teils auch atonalen Kompositionen vor, deren Reiz eher von ihrer Form, ihrer Struktur, ihrer Periodik bestimmt wird als von Harmonik oder Melodik. Und über diese Termini wiederum mag man sich wohl auch der ursprünglichen Gestalt ein Stück weit annähern.
Vom Anspruch her wendet sich Marggraf an fortgeschrittene FlötistInnen, schreibt er doch hinsichtlich Rhythmik, Phrasierung und Artikulation eine große Bandbreite an Variationen genauestens vor, streut Vorzeichen und verlangt schon allein von der Besetzung her ein ganzes Consort.
Andrea Braun