Schatt, Peter W.
Kulturelle Bildung in Musik
Eine Topologie
Dieses Buch ist der dritte Band der von der Gisela und Peter W. Schatt Stiftung herausgegebenen Reihe „Studien zur Musikkultur“. Im einleitenden Kapitel „Warum dieses Buch?“ gibt der Autor eine Begründung für die Publikation: Die selbstkritisch formulierte Überschrift zu einer Tagung des Bundesverbands Musikunterricht, ob die Musikpädagogik „der Welt abhanden gekommen“, also in Selbstbezüglichkeit verloren sei, wird von ihm als Impuls aufgegriffen, um über die Ziele der Disziplin Musikpädagogik grundsätzlich nachzudenken.
Schatt greift an vielen Stellen aktuelle Diskurse des Fachs kritisch auf. So wird direkt zu Beginn angedeutet, dass es gelte, zwischen einem rein praxeologischen Menschenbild einerseits und stärker konstruktivistisch orientierten Ansätzen andererseits zu vermitteln. Entsprechend wird im Folgenden davon ausgegangen, dass Kultur, Musik und Bildung bei und zwischen Menschen stattfinden, deren Lebenswelt und Handlungsmöglichkeiten natürlich von gesellschaftlich vermittelten und vorgeformten Praxen beeinflusst sind, denen aber weiterhin die Möglichkeit eines autonomen Umgangs mit Musik zugestanden wird.
Vor diesem Hintergrund gehe es nun darum zu zeigen, „dass Kultur, Bildung und Musik derart aufeinander bezogen werden können, dass zumindest die Möglichkeit eines wechselseitigen Synergieverhältnisses aufscheint“. Mit anderen Worten soll das Verhältnis der drei Begriffe zueinander geklärt werden, um eine theoretische Grundlegung einer angemessenen „Kulturellen Bildung in Musik“ formulieren zu können.
Mit dem Hinweis auf die aktuelle „gesellschaftliche und kulturelle Situation, die von Pluralität und Diversität“ gekennzeichnet sei, wird auch die pädagogische Relevanz der Schrift unmittelbar deutlich, da sich natürlich die Frage nach einem Umgang mit dieser Pluralität – beispielsweise im Musikunterricht – stellt.
Schatt untersucht sodann in umfangreichen Kapiteln die Begriffe „Kultur“, „Bildung“ und – besonders ausführlich – „Musik“. Hierbei wird mit „überkommenen Vorstellungen“ aufgeräumt, etwa der Zweckfreiheit von Bildung oder einer angenommenen förderlichen Wirkung von Kunst und Kultur auf die Moral des Menschen.
Das Buch mündet schließlich in den Appell, Teilhabe an Musikkultur zu ermöglichen. Dieses Ziel musikpädagogischen Denkens und Handelns ist durchaus schon formuliert worden, es erfährt in der vorliegenden Schrift allerdings eine sehr dichte, tiefgehende und in dieser Ausführlichkeit gewiss nicht oft vorzufindende Begründung. Besonders fällt dabei die enorme Fülle von Bezügen zu verschiedenen AutorInnen aus den Bereichen Philosophie, Musikwissenschaft, -pädagogik u. a. auf, die vom Autor souverän miteinander verbunden werden. Die Lektüre ist dadurch mit einem hohen Anspruch verbunden – und allemal lohnenswert!
Matthias Goebel