Simon, Jürgen

Kunst oder Kommerz?

Für die Gründung einer privaten Musikschule ist das Geschäftsmodell entscheidend

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , musikschule )) DIREKT, Seite 10

Es ist nicht einfach, eine private Musikschule zu gründen und erfolgreich zu betreiben. Einerseits gibt es viel Konkurrenz sowohl von öffentlichen und privaten Musikschulen als auch von privaten InstrumentallehrerInnen, aber auch von kirchlichen Musikkreisen, Spielmannszügen und ähnlichen Einrichtungen.

Ein nicht unerheblicher Teil dieser Angebote wird dabei ehrenamtlich oder mit öffentlichen Mitteln betrieben und hat damit ganz andere finanzielle Voraussetzungen als eine private Musikschule. Auf der anderen Seite wird es nicht zuletzt durch die immer weitere Ausbreitung der Ganztagsschule zunehmend schwieriger, passende Unterrichtszeiten für die SchülerInnen zu finden, denn es macht wenig Sinn, eine Musikschule nur von 17 bis 20 Uhr zu betreiben.
Wer eine private Musikschule aufbauen möchte, muss sich bereits im Vorfeld Gedanken über diese und viele weitere potenzielle Probleme machen.

GründerInnen

Der Schritt in die Selbstständigkeit ist eine Entscheidung, die das Leben aller Beteiligten erheblich beeinflusst. Er sollte keinesfalls eine Notlösung sein, sondern bewusst und aus Überzeugung gegangen werden. Jeder muss sich im Klaren darüber sein, dass gerade in der Anfangszeit einer Unternehmensgründung eine große Menge an Arbeit und Ausdauer erforderlich ist. Das kann man nur durchhalten, wenn man von der eigenen Idee überzeugt ist und die Unterstützung durch das Umfeld, Freunde und Partner stimmt. Auch über die finanzielle Seite sollte sich niemand Illusionen machen. Selbst bei einer besonders guten und neuartigen Geschäftsidee dauert es in der Regel eine ganze Weile, bis man sich ein ordentliches Gehalt genehmigen kann.
Doch auch die eigene Person und die Persönlichkeit spielen eine wichtige Rolle. Wer Angst vor finanziellen Risiken hat oder sich auch bei kleinen Auseinandersetzungen nicht durchsetzen kann, sollte sich ernsthaft fragen, ob die Selbstständigkeit der richtige Weg ist. Auch die eigene Gesundheit sollte stabil genug sein, um die anstrengende Gründungsphase gut zu überstehen. Wer häufig wegen – möglicherweise chronischer – Krankheiten ausfällt, kann sich während dieser Zeiten natürlich nicht optimal um die eigene Neugründung kümmern. Hier kann es hilfreich sein, einen der im Internet meist kostenlos verfügbaren Tests durchzuführen (z. B. www.existenzgruender.de/selbstaendigkeit/entscheidung/qualifikation/06348/ index.php).
Vor allem aber fallen in der Selbstständigkeit Arbeiten in den unterschiedlichsten Bereichen an, die gerade bei kleinen Neugründungen auch aus finanziellen Über­legungen heraus von den GründerInnen selbst erledigt werden müssen. Das betrifft eine mögliche Renovierung der neuen Unterrichtsräume ebenso wie die Gänge zu Behörden und Banken, die Organisation der erforderlichen Versicherungen und nicht zuletzt auch die Klärung der unterschiedlichsten steuerlichen und rechtlichen Fragen. Wer sich für solche Tätigkeiten gar nicht erwärmen kann, sollte sich mit jemandem zusammentun, der ein Händchen für solche Arbeiten hat.

Marktanalyse

Vor allen anderen Überlegungen sollte immer eine gründliche Analyse des Umfelds stehen. Dazu muss zunächst das schon existierende Angebot ermittelt werden. Gibt es eine kommunale Musikschule? Welche Angebote macht diese Musikschule und zu welchen Preisen? Welche Instrumente werden angeboten und vor allem welche nicht? Was bietet die Musikschule außer dem reinen Unterricht an? Gibt es Kammermusikgruppen, Orchester und Ne­benfachunterricht, wie sieht es mit Korrepetition aus? Werden regelmäßig Klassenvorspiele, Schüler- und Lehrerkonzerte veranstaltet? Von ganz besonderer Bedeutung ist aber die Frage, ob es eine Warteliste gibt und wie lang diese Liste für die einzelnen Angebote der Musikschule ist.
Mit der gleichen Sorgfalt müssen auch alle anderen Einrichtungen analysiert werden, die im eigenen Einzugsgebiet musikalische Angebote machen. Während dies bei privaten Musikschulen in der Regel recht einfach ist, weil diese Wert darauf legen, dass ihre Angebote bekannt sind, und dementsprechend dafür werben, ist es bei Ver­einen und kirchlichen Angeboten oft schwieriger. Besonders schwer zu ermitteln sind naturgemäß die Angebote von PrivatlehrerInnen. Um sich in diesem Bereich einen Überblick zu verschaffen, gibt es aber auch einige Möglichkeiten. Die Kleinanzeigen der örtlichen Tageszeitung, aber auch die kostenlosen Anzeigenblättchen, die fast überall verteilt werden, sollten dazu ebenso zu Rate gezogen werden wie die in vielen Supermärkten vorhandenen Aushangtafeln für private Nachrichten und die Informationskästen von Kirchen und Vereinen.
Als nächstes muss ermittelt werden, welche potenziellen Besucher für die Musikschule vorhanden sind. Dabei muss unbedingt auch die soziale Struktur in der Umgebung mit einbezogen werden, denn die Angebote müssen auch auf die vorhandene Bevölkerungsstruktur ausgerichtet werden. In einem wohlhabenden, bildungsbürgerlichen Bezirk werden andere Angebote benötigt als in einem Bezirk, in dem vor allem ärmere oder bildungsferne Bevölkerungsschichten zuhause sind.
Aus dem Abgleich der vorhandenen Angebote mit den Informationen über die Bevölkerung lässt sich ein Bild dessen erstellen, was möglicherweise noch fehlt, wo es noch Marktlücken gibt und wo bereits ein Überangebot vorhanden ist.

Geld verdienen ist nicht falsch!

Das Bild vom armen Künstler hat sich so in den Köpfen festgesetzt, dass viel zu oft die Frage „Kunst oder Kommerz?“ gestellt wird. Nur mit Kunst und Kommerz jedoch kann eine private Musikschule zum Erfolg werden. Allerdings sollte dabei auch die Kunst nicht auf der Strecke bleiben. Das Rezept, mit möglichst preiswerten Lehrkräften möglichst große Gruppen von SchülerInnen in möglichst wenigen verschiedenen, am besten einfach zu erlernenden Instrumenten zu unterrichten, ist in einem nicht unerheblichen Maß für den im Vergleich zu öffentlichen Musikschulen teilweise schlechten Ruf privater Musikschulen verantwortlich.
Andererseits ist es schwierig zu versuchen, die öffentlichen Musikschulen zu kopieren, da deren Konzept in der Regel auf eine große Institution mit einem sehr breiten Spektrum an Instrumenten und einem relativ hohen Anteil an teurem Einzelunterricht ausgelegt ist.

Das Geschäftsmodell

Bei der Gründung einer Musikschule muss sich jeder bewusst machen, dass es sich tatsächlich um eine Unternehmensgründung handelt. Und wie bei jeder Unternehmensgründung ist das Wichtigste dabei ein wirklich gutes, tragfähiges Geschäftsmodell. Dazu müssen die Erkenntnisse aus der Marktanalyse mit den eigenen Kompetenzen und Interessen abgeglichen werden, denn die Qualität des Geschäfts­modells ist der entscheidende Faktor bei der Existenzgründung.
Aber genau hier liegt auch die Chance, ein Angebot zu entwickeln, das so einzigartig und interessant ist, dass die Kunden kommen, obwohl es bereits andere musikalische Bildungsangebote in der Umgebung gibt. Wer es schafft, nicht nur die Vermittlung von Fertigkeiten auf einem Instrument anzubieten, sondern seinen Kunden einen Lern- und Lebensraum zu schaffen, kann dort erfolgreich sein, wo z. B. eine weitere Gitarrenschule keine Überlebenschance hätte.
Wie wäre es zum Beispiel, sich vom so oft bewunderten „El Sistema“ inspirieren zu lassen? Wie wäre es mit einem Institut, in dem die Kinder nach der Schule nicht einfach nur Instrumentalunterricht erhalten, sondern auch miteinander in Gruppen ihre eigene musikalische Kreativität entwickeln können und dabei nicht nur von den Lehrern der Musikschule angeleitet werden, sondern sich auch gegenseitig unterstützen und das im Unterricht Gelernte an Jüngere weitergeben? Ein solches Konzept könnte durchaus wirtschaftlich sein, da die Verbindung von kostspieligem Einzel- und Kleingruppenunterricht mit der Arbeit in großen Gruppen zu einem günstigeren Durchschnittspreis führen kann. Und möglicherweise sind Eltern bereit, etwas mehr für das gesamte Angebot zu bezahlen, wenn sie wissen, dass ihre Kinder in der Musikschule einen Ort haben, an dem sie ihre Freizeit sicher und mit guter Betreuung sinnvoll gestalten können.
Doch kann nicht oft genug betont werden, dass sich auch das beste Angebot rechnen muss. Die MitarbeiterInnen müssen angemessen bezahlt werden und auch Sie selbst müssen – spätestens nach einer gewissen Anlaufphase – einen angemessenen Gewinn erzielen. Denn wenn ein noch so gutes Angebot wirtschaftlich nicht trag­fähig ist, wird es über kurz oder lang trotz hoher Nachfrage wieder vom Markt verschwinden.
In diesem Fall ist es auch uninteressant, mögliche Schuldige zu benennen. Selbstverständlich haben öffentlich geförderte Musikschulen andere Rahmenbedingungen, doch ist dies das Ergebnis einer politischen Willensbildung. Und diese Tatsache muss von vornherein mit in die Entwicklung des Geschäftsmodells einbezogen werden.

Allein oder gemeinsam?

Bereits während der Planungsphase muss man die eigenen Fähigkeiten auf den Prüfstand stellen und dabei möglichst ehrlich zu sich selbst sein. Eine Musikschule ist in der Regel kein Einpersonenunternehmen und die Fragen: „Wer passt zu mir?“ und „Wer ergänzt meine eigenen Kompetenzen optimal?“, sind zentral für das Gelingen einer Existenzgründung.
Ein guter Instrumentalpädagoge ist nicht zwangsläufig auch ein guter und geschickter Geschäftsmann. Eine private Musikschule benötigt jemanden, der nicht nur in der Lage ist, sich mit den wirtschaftlichen, rechtlichen und geschäftlichen Belangen zu befassen, sondern der dies auch gerne tut. Jemand, der während der Büroarbeit ständig daran denkt, dass er jetzt eigentlich viel lieber mit den SchülerInnen arbeiten möchte, ist nicht die ideale Wahl für diesen Posten. Gerade der Verwaltungsbereich darf in der heutigen Zeit keinesfalls unterschätzt werden.
Aber auch bei der Entwicklung des Geschäftsmodells kann es hilfreich sein, wenn sich mehrere GründerInnen gemeinsam Gedanken über die Angebote machen und dabei ihre unterschiedlichen Vorstellungen zu einem breiteren Angebot vereinigen. Nicht zuletzt ist es natürlich auch einfacher, die nötigen Anfangsinvestitionen auf mehrere MitstreiterInnen zu verteilen. Und womöglich kann gerade jemand, der auf den ersten Blick gar nicht so recht zu einer Musikschule zu passen scheint, dem Konzept eine besondere Wendung geben. Jemand mit guten EDV-Kenntnissen kann nämlich nicht nur die Internetseite betreuen, er könnte zum Beispiel auch Computerkurse anbieten und damit womöglich die musikalisch weniger interessierten Geschwister einer Schülerin ebenfalls als Kunden gewinnen. Aber auch ganz andere Kombinationen sind denkbar. So könnte in einer Zeit, in der Kinder häufig an Bewegungsmangel leiden, ein Bewegungs- oder Tanztherapeut eine Bereicherung für das Musikschulteam sein.

Nur Mut

Wer wirklich von seiner Idee überzeugt ist, sollte sich nicht von den Schwierigkeiten, die eine Existenzgründung mit sich bringt, abschrecken lassen. Es kann eine sehr befriedigende Erfahrung sein, endlich die eigenen Ideen umsetzen zu können und nicht mehr nur nach fremden Konzepten zu arbeiten.
Die Situation an den öffentlichen Musikschulen hat sich durch die Sparzwänge in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert. Immer häufiger werden nur noch schlecht bezahlte Honorarverträge angeboten und auch die Ausstattung der Musikschulen spiegelt inzwischen den Mangel an Mitteln wieder. Dies alles führt zu Unterrichts- und Arbeitsbedingungen, die nicht nur für die SchülerInnen, sondern auch für die Lehrkräfte unbefriedigend sind. Hier kann es eine echte Befreiung sein, mit Gleichgesinnten selbst zu bestimmen, wie und unter welchen Bedingungen man arbeiten und lehren möchte.