Sacher, Melanie C.

Langeweile? Keine!

Angebote für die unterrichtsfreie Zeit werden von Eltern dank­bar angenommen und bedeuten für Musikschulen einen Imagegewinn

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 1/2015 , musikschule )) DIREKT, Seite 05

„Endlich, endlich“, jubeln die Kinder und fiebern den herannahenden Sommerferien entgegen. Einer Zeit ohne Hausaufgaben, Terminstress und Zeitdruck. Je nach Wetterlage stehen Schwimm­bad, das Spielen mit Freunden oder einfach nur Faulenzen ganz hoch im Kurs. Doch schon nach wenigen Tagen machen sich erste Anzeichen von Langeweile breit. „Mama, was könnte ich denn noch tun?“ Die Freunde sind verreist, die Eltern haben nur begrenzte Zeiten Urlaub und alle Spiele sind schon mehrfach gespielt.

Vor einigen Jahren kam an unserer Musikschule die Idee auf, ein Ferienangebot zu starten: die Musikalische Ferienfreizeit. Im Lauf der Jahre haben wir verschiedene Modelle ausprobiert; vom Vormittagsprogramm bis hin zur Ganztags­betreuung war schon alles dabei. Das Fazit war immer das gleiche: Lasst es uns doch im nächsten Jahr wieder machen.

Wie alles begann

Zunächst etwas zögerlich starteten wir mit einem Vormittagsangebot: eine Woche (von Montag bis Freitag) täg­liche Betreuung von 9 bis 13 Uhr für Kinder im Grundschulalter. Das Thema war schnell ausgesucht; es sollte etwas sein, das viele Kinder interessiert sowie musikalische Aspekte und Möglichkeiten zur vielseitigen Gestaltung bietet. „Afrika“ – damit wollten wir beginnen. In dieser ersten Musikalischen Ferienfreizeit bauten wir verschiedene afrikanische Instrumente, sangen afrikanische Kinderlieder, bastelten Kostüme und Schmuck, studierten Tänze ein und hörten allerlei Geschichten über das Leben der Kinder in Afrika. Unsere deutschen Teilnehmerkinder waren jeden Tag hellauf begeistert über das Erlebte. Am letzten Tag luden wir Freunde und Verwandte zur großen Abschluss-Aufführung ein und die staunten nicht schlecht, was ihre Kinder innerhalb einer so kurzen Zeit alles gelernt hatten.

Literaturtipp: Gudrun Schreiber/Peter Heilmann: Karibuni Watoto. Spielend Afrika entdecken, mit CD, Ökotopia, Münster 2014, 144 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-86702-282-8

Der nächste Kontinent

Im darauf folgenden Jahr wurden wir mutiger. Nachdem die Eltern den Wunsch nach einer längeren Betreuungszeit ge­äußert hatten, wollten wir unser Angebot auf eine tägliche Betreuungszeit von sieben Stunden, also von 9 bis 16 Uhr ausweiten. Dies bedeutete einen erhöhten organisatorischen Aufwand, da nun auch für Mittagessen gesorgt werden musste. Gelöst wurde das Problem durch ein Team von jungen Berufspraktikantinnen, die das Planen, Einkaufen, Kochen und Sauber­machen in Eigenregie übernahmen. Somit war das Musikschulteam wieder entlastet und konnte sich ganz der Gestaltung der Aktionen widmen.
In Anlehnung an den Erfolg des vorangegangenen Jahres wählten wir das Thema „Australien“ und gestalteten die Freizeit inhaltlich ähnlich wie im Vorjahr. Um die zusätzliche Zeit zu füllen, bauten wir Zeiten für Kinderchorproben und Tanzproben mit Choreografien sowie Ruhezeiten nach dem Mittagessen mit klassischer Musik, Malvorlagen (Mandalas, passend zum Thema) und Buntstiften ein. Dadurch wurde es möglich, die Abschlussaufführung etwas aufwändiger zu gestalten, da nun richtige Probezeiten zur Verfügung standen.
Auch diese Freizeit wurde ein voller Erfolg. Eltern, die ihre Kinder am Morgen teils mit schlechtem Gewissen abgegeben hatten, waren am Nachmittag umso erleichterter, wenn ihnen der Nachwuchs fröhlich singend in die Arme hüpfte.

Literaturtipp: Miriam von Schultze/Marion Ansorge: Didgeridoo und Känguru. Eine Reise durch Australien in Spielen, Liedern, Tänzen und spannenden Geschichten für Kinder, Ökotopia, Münster 2002, 144 Seiten, 19,80 Euro, ISBN 978-3-931902-67-4

Und wir fliegen durch das All

Durch eine CD von Detlev Jöcker wurde die Idee für unser Thema im dritten Jahr geboren: Das Weltall hatte es uns angetan. Hierfür mussten wir uns besonders gut vorbereiten, denn wir wollten die Kinder auf die spannende Reise zu fremden Planeten mitnehmen. Dabei sollte die Musik unsere ständige Begleiterin sein. Im Gegensatz zu Afrika und Australien ist das Weltall jedoch völlig geräuschlos, da es ja dort keine Atmosphäre gibt, die Schall übertragen könnte. Also mussten wir selbst für Geräusche, Klang und Musik sorgen. Mit Liedern von Detlev Jöcker und Rolf Zuckowski, mit Major Tom, Mondgestein, selbstgebastelten Instrumenten und Synthesizer-Musik schafften wir den musika­lischen Sprung ins All. Die Abschlussaufführung wurde zu einem ganz besonderen Erlebnis sowohl für alle Akteure als auch für die Zuschauer.

Literaturtipp: Melanie C. Sacher/Detlev Jöcker/Rolf Zuckowski: S(w)ing around the planets, Musikalische Ferienfreizeit für Grundschulkinder, Lehrmaterial, Elementa Musica, Königsfeld 2014, 24 Seiten, 16,80 Euro, ISBN 978-3-98143450-7

Ganz „klassisch“…

…sollte es im vierten Jahr zugehen. Wir entschieden uns für einen mutigen Schritt und boten ein vermeintlich weniger „cooles“ Thema an: das Leben von Wolfgang Amadeus Mozart. Da sich allerdings der Spaßfaktor unserer musikalischen Ferienfreizeiten aus den vergangenen Jahren bereits herumgesprochen hatte, meldeten sich trotzdem viele Kinder an und wir starteten in eine aufregende Woche. Mozartkugeln selbst herstellen, klassische Tänze, Perücken und Kostüme basteln, Mozarts Sinfonien mit einfachen Instrumenten rhythmisch begleiten – die Kinder konnten sich für dieses Thema genauso begeistern wie in den Jahren zuvor. Natürlich durfte auch Falcos Rock me Amadeus nicht fehlen.
Für eine besondere Über­raschung am Abschlussfest holten wir uns noch einige Eltern dazu, die mit Freude den Kanon Bona Nox mit den Kindern gemeinsam einstudierten und vortrugen.

Literaturtipp: Renate und Walter Kern: Mozart für die Schule. Singen – Musizieren – Bewegen – Gestalten. Eine Materialiensammlung für den Musikunterricht ab der 3. Schulstufe, Helbling, Esslingen 22006, 80 Seiten, 22,– Euro, ISBN 978-3-85061-351-4

Hereinspaziert in die Manege

Der Zirkus bietet für Kinderfreizeiten eine unerschöpfliche Möglichkeit an Aktionen. Im fünften Jahr weiteten wir – auf Wunsch der Eltern – unser Betreuungsangebot noch mehr aus. So gab es eine separate Kinderbetreuung jeweils vor und nach der Fe­rienfreizeit, also von 8 bis 9 Uhr und am Nachmittag von 16 bis 17 Uhr. Somit konnten die berufstätigen Eltern noch mehr entlastet werden und die Kinder genossen die Ruhe vor und nach dem musikalischen Freizeitprogramm. In dieser Zeit konnten die Kinder passende Vorlagen aus­malen, Hörspiele und leise Musik anhören, Bilderbücher zum Thema anschauen oder vorbereitete Kleinigkeiten basteln.
Da sich dieses Freizeitthema als sehr bewegungsorientiert herausstellte, legten wir großen Wert auf eine Vielzahl an Materialien, die die Kinder ausprobieren und nutzen konnten; Jonglierkeulen, Tücher, Bälle, Seile, Reifen, ein großern Balken zum Balancieren und eine Slackline standen zur Verfügung.

Literaturtipp: Sybille Günther: Hereinspaziert – Manege frei! Kinder spielen Zirkus, Ökotopia, Münster 2011, 128 Seiten, 17,80 Euro, ISBN 978-3-936286-46-5

Das große Finale: Schwanensee

Nachdem wir mit unserem Mozart-Thema so viel Erfolg gehabt hatten, wollten wir nun das große Wagnis eingehen und die Inszenierung eines romantischen Balletts versuchen: Tschaikowskys Schwanensee – mit bunten Kostümen, einer spannenden Geschichte um Neid, Freundschaft, Magie, Gefahr und einem guten Ende, mit vielseitiger Musik aus verschiedenen Epochen, einem kleinen Exkurs in die wunderschöne Welt des Balletts und modernen Einlagen.
Am Ende standen Jungen und Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren in haut­engen Strumpfhosen und Tutus in Reih und Glied, tanzten, spielten und sangen so wunderschön, dass den Zuschauern vor Staunen der Mund offen stehen blieb. Unterstützt von einem fleißigen Elternchor wurde das Stück mit klassischen, romantischen Elementen, aber auch mit Einlagen aus Rock und Pop zu einem musikalischen Genuss der besonderen Art.

Literaturtipp: Melanie C. Sacher: Schwanensee will rock you! Musikalische Ferienfreizeit für Grundschulkinder, Lehrmaterial, Elementa Musica, in Vorbereitung, ISBN 978-3-98143458-3

Planung und Organisation

Aus der gesammelten Erfahrung der vergangenen Jahre ist das Angebot „Musika­lische Ferienfreizeit“ in drei Modellen möglich:
– als reines Vormittagsangebot,
– als Ganztagsangebot,
– als Ganztagsangebot mit verlängerten Be­treuungszeiten.
Organisatorisch, räumlich und personell ist das erste Modell das simpelste; in einem kurzen Zeitraum am Vormittag wird entweder mit einer großen Gruppe gemeinsam oder in kleineren Gruppen mit mehreren Betreuern musiziert. Wie hoch der Betreuerschlüssel ist, hängt vom jeweiligen Pädagogen ab – manche arbeiten gerne mit vielen Kindern, manche lieber nur mit drei bis fünf TeilnehmerInnen. Wirtschaftlich betrachtet ist natürlich ein hoher Betreuerschlüssel erstrebenswert, allerdings sollten die geplanten Aktionen auch sinnvoll durchgeführt werden können. So ist z. B. eine Kinderchorprobe durchaus von einer Lehrkraft mit bis zu 60 Kindern möglich, eine Bastelphase mit Klebestift und Schere jedoch sehr betreuungsintensiv. Hierfür braucht es viele helfende Hände. Die Erfahrung lehrt: maximal fünf Kinder je BetreuerIn. Da für kleinere Pausen das Essen von zuhause mitgebracht wird, werden für diese Variante lediglich Aufsichtspersonen benötigt.
Anders gestaltet sich das Ganztagsangebot. Um die Mittagszeit muss für ausreichend Verpflegung gesorgt werden. Dies bedeutet, dass entweder ein externes Catering organisiert werden muss oder die Verpflegung von hauseigenen Kräften mit übernommen wird. In diesem Fall gilt es, einen Menüplan zu erstellen, der Speisen beinhaltet, die gesund, einfach in der Zubereitung und im Verzehr schmackhaft und preisgünstig sind. Da das Zubereiten, Anrichten und Abräumen der Speisen sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, empfiehlt es sich hierbei, zusätzliche HelferInnen für diese Aufgabe zu engagieren.1
Auf Wunsch können für das Ferienprogramm verlängerte Betreuungszeiten angeboten werden. Diese machen immer dann Sinn, wenn Schulen und Kindergärten im Umkreis zu bestimmten Ferienzeiten keine eigene Betreuung anbieten. Um die Kinder, die zu diesem langen Betreuungszeitraum angemeldet werden, nicht zu überfordern, sollten die zusätzlichen Zeiten inhaltlich ruhiger gestaltet werden als das eigentliche Ferienprogramm. Auch thematisch kann hier vom Programm abgewichen werden. Die Kinder freuen sich über gemeinsame Gesellschaftsspiele, Ausmalbilder oder kleine neutrale Bastelarbeiten und genießen die Zeit „davor“ und „danach“.

Kalkulation

Wichtig bei all dem ist natürlich die wirtschaftliche Komponente. Bei der Kalkulation einer Ferienfreizeit müssen drei Arten von Kosten berücksichtigt werden:
– Fixkosten,
– variable Kosten,
– sprungfixe Kosten.
Zu den Fixkosten zählen alle Aufwendungen, die unabhängig von der Anzahl der TeilnehmerInnen entstehen – wie z. B. die Raummiete, Reinigungskosten, Anschauungsmaterial.
Die Höhe der variablen Kosten hingegen ist abhängig von der Anzahl der TeilnehmerInnen – wie z. B. das Bastelmaterial, welches jedes Kind im Laufe einer Woche verbraucht. Diese Kosten steigen mit jedem weiteren Teilnehmer an.
Sprungfixe Kosten sind solche Aufwendungen, die sich nicht mit jedem einzelnen Teilnehmer erhöhen, sondern ab einer bestimmten Menge – wie z. B. die Lehrer-Honorare. Bei zehn bis 20 TeilnehmerInnen reichen zwei Betreuer aus, ab 21 Kindern muss eine weitere Betreuungsperson dazukommen, der Aufwand für die Honorare steigt.
Um hier keine böse Überraschung zu erleben, legt man am besten im Vorhinein eine genaue Kalkulation an, die eine Übersicht für die entstehenden Aufwendungen bietet und zeigt, wie hoch die Gebühren für eine Ferienfreizeit pro Teilnehmer ausfallen müssen. Ob am Ende dabei ein Gewinn übrig bleiben soll, muss der Veranstalter entscheiden. Werden die Preise zu hoch angesetzt, melden sich womöglich zu wenige Kinder an. Eine gute Orientierung bieten hier Parallelangebote aus anderen Fachbereichen wie etwa Sportfreizeiten. Erfahrungsgemäß arbeitet die Musikschule bei solchen Projekten kurzfristig kostendeckend (Werbung und Organisa­tion), mittel- und langfristig allerdings mit Gewinn durch Imagewerbung und Neukundengewinnung.
Emotional betrachtet, bedeutet solch ein Projekt einen großen Gewinn für alle Beteiligten. Eltern, Kinder, BetreuerInnen und auch die Musikschulen als Anbieterinnen profitieren davon. Kinder erleben eine schöne gemeinsame Zeit, BetreuerInnen lernen neue Dimensionen ihrer Arbeit kennen. Die Eltern schaffen sich einen Freiraum durch sinnvolle Kinderbetreuung, die Musikschule profitiert von Mundpropaganda und Zeitungsartikeln über gelungene Aufführungen und einem entstehenden Wir-Gefühl ihrer Schülerschaft.
Aus diesem Grund geht es bei uns im Mai schon wieder los mit den ersten Anfragen nach dem diesjährigen Ferienprogramm. Und meine Kollegin wurde kürzlich beim Einkaufen auf dem Marktplatz von einer wildfremden Mutter angesprochen: „Sie sind doch von dieser Musikschule – gibt es in diesem Jahr wieder so eine Ferienfreizeit?“ – Gibt es! Aber das Thema wird noch nicht verraten!

1 Für die Zubereitung von Speisen muss eine Belehrungsveranstaltung beim Gesundheitsamt absolviert werden. Die erfolgreiche Teilnahme wird mit einem Zertifikat bestätigt.