Wieblitz, Christiane
Lebendiger Kinderchor
kreativ – spielerisch – tänzerisch. Anregungen und Modelle
„Ein Leben ohne Singen wäre für mich trostlos und leer“, so ein Kind aus dem „Schnurpsenchor“, der die Basis für die Unterrichtserfahrungen bildet, die hier in einer Fülle von Erkenntnissen, Materialien, didaktischen Grundsätzen und methodischen Hilfen ausgebreitet werden.
Wer beim Thema Kinderchor auf Leistungsbezogenheit setzt oder auch schnell verwertbare Tipps sucht, um mal eben eine brauchbare Singstunde zu konzipieren, wird mit diesem Buch nicht auf seine Kosten kommen. Denn dieses Buch setzt viel tiefer an, indem es Singen als eine Spielart der conditio humana begreift und damit auf bleibende ästhetische Werte setzt. Es ist dabei durchaus auf dem neuesten Stand in Bezug auf lerntheoretische Erkenntnisse, zeigt aber auch mit bewährten Unterrichtsstrategien und -methoden die Möglichkeit einer fruchtbaren Wechselwirkung auf. Im Rückgriff auf Guido von Arezzo ist es spannend zu sehen, wie vieles schon gedacht und aufbereitet wurde aus der immer gleichen pädagogischen Absicht: Musikunterricht allgemein und Singunterricht im Besonderen anschaulich und unter Einsatz vielfältiger Sinneserfahrungen erlebbar zu machen, mit dem Ziel einer „Verwurzelung“ ästhetischer Ausdrucksmöglichkeiten, die zu lebenslangen persönlichkeitsbildenden Konstanten werden können. Dies soll die eingangs zitierte kindliche Aussage deutlich machen. Weitere Zitate mit ähnlichem Inhalt finden sich am Ende des Buchs quasi als Nachwort aus der unmittelbaren Praxis.
Diese Veröffentlichung wird den aktuellen Erfordernissen nach animativen musikalischen Angeboten vor allem im Primarbereich auf eine sehr substanzielle Weise gerecht. Es macht Mut, Singen in den Mittelpunkt einer intensiven Beschäftigung mit Musik zu stellen, denn vom Singen führen gleichsam automatisch viele Wege in alle Richtungen des praktischen Musizierens. Die Unterrichtenden an Grundschulen werden dieses Buch ebenso sinnvoll nutzen können wie die Unterrichtenden im Elementarbereich der Musikschulen. Letztere vor allem in der Verklammerung von Musikalischer Früherziehung und Instrumentalunterricht, wobei die Singgruppe neben dem gewählten Instrumentalfach die Kinder weiter in einer Gruppe musizierend begleitet und gleichzeitig eine wunderbare gehörbildende und sinnesschulende Ergänzung bildet.
Durchgängig hält das Buch an der Idee eines spielerischen Umgangs mit der Materie fest und diesem Prinzip gehorcht auch die Systematik der Gliederung: Atemspiele – Sprachspiele – Rhythmusspiele – Stimmspiele – Hörspiele – Bewegungsspiele; der wichtige und oft vernachlässigte Bereich melodischer Erfindung wird behandelt und das Kapitel über „Singendes Tanzen – Getanztes Singen“ stellt eine interessante Herausforderung für Singleiter dar, auch die Liedform in einen einfachen, aber wirkungsvollen choreografischen Zusammenhang zu stellen.
Die Unterrichtsmodelle sind nicht für jeden Unterricht 1:1 übertragbar, aber sie können bei der Unterrichtsplanung gute Wegweiser sein. Eine „Liederschatzkiste“ rundet das Buch ab und es fehlen auch nicht weiterführende Literaturangaben und ein gut ausgewähltes Glossar zum Thema. Besonders schön sind die Fotos aus der praktischen Arbeit der Autorin, in denen sich Freude, Spannung und Konzentration eines gelungenen Singunterrichts spiegeln.
Thomas Holland-Moritz