Arnoldussen, Andrea

Leichtigkeit mit links?

Eine kritische Gegenüberstellung zweier unterschiedlicher Betrachtungsweisen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 44

Über die Auswirkung der Händigkeit auf das Streichinstrumentenspiel streiten sich schon lange die Geister. Sollen linkshändige StreicherInnen anders herum spielen? Gibt es Linkshänderinstrumente? Andrea Arnoldussen diskutiert anhand zweier Bücher zur Linkshändigkeit bei Streichern die Vor- und Nachteile der ein oder anderen Entscheidungen.

Ulf Prelle ist Solocellist der Dresdner Philharmonie und Instrumentalpädagoge. In seinem 2015 erschienenen Buch1 geht es ihm um Leichtigkeit beim Streichinstrumentenspiel auf der Grundlage von Bewegungs­abläufen, die aus der Körpermitte kommen. Er widmet sich ausführlich auch der Händigkeit und führt an, wie deren Gesetzmäßigkeiten für das Spiel auf dem Streichinstrument genutzt werden können. Walter Mengler, ebenfalls Cellist und Pädagoge, hat bereits 2010 ausführlich die Bedeutung der Händigkeit für das Instrumentalspiel dargestellt.2 Dabei vertritt er die Auffassung, dass es für Linkshänder grundsätzlich möglich sein soll, ihr Instrument – auch das Streichinstrument – seitenvertauscht zu spielen.

Händigkeit

Die Händigkeit eines Menschen zeige sich, so Mengler, in der Überlegenheit einer Hand in Bezug auf „Kraft“, „Geschicklichkeit“ (dazu gehören Präzision, Schnelligkeit und Gleich­mäßigkeit) und „Ausdrucksfähigkeit“. Inwieweit die Vererbung bei der Entstehung von Händigkeit eine Rolle spielt, ist wissenschaftlich noch nicht endgültig geklärt. Mengler legt dar, dass Händigkeit im Gehirn festgelegt sei – sie hängt mit der motorischen Dominanz der einen oder anderen Gehirnhälfte zusammen – und sich „nicht vertauschen“ lasse (Mengler, 12 ff. und 40). Dies entspricht den Erkenntnissen der Psychologin und Hän­digkeitsforscherin Johanna Barbara Sattler,3 die durch verschiedene Studien bestätigt wurden.
Auch bei Ulf Prelle finden sich grundlegende Ausführungen zur Händigkeit. Er spricht von einer „natürlichen Präferenz“ und von der „dominanten Hand“, die die Führungsrolle übernehme. Auch der emotionale Ausdruck gehe über die dominante Hand; so drücke der Linkshänder über die linke Seite seine Gefühle aus. Dem stehen Aussagen gegenüber wie die, dass der genetische Ursprung von Händigkeit sehr schwach sei. Die meisten Menschen seien „Gewohnheitshänder“, was Prelle aus älteren Studien und älterer ­Literatur zum Thema Händigkeit schließt.
Prelle spricht bezüglich Linkshändern von ­einer „stabilen Minderheit“ (ca. zehn Prozent) und erwähnt gleichzeitig den „kulturellen und sozialen Druck“ Richtung Rechtshändigkeit. Widersprüchlich ist seine Feststellung, dass die Festlegung der Händigkeit bei Kindern erst im sechsten bis siebten Lebensjahr erfolge und somit bei frühem Beginn des Inst­rumentalunterrichts noch nicht so fest verankert sei (Prelle, 47 ff. und 69 ff.).
Inzwischen ist bekannt, dass die Zahl der links schreibenden Kinder in den Grundschulen durch den nachlassenden Rechtszwang kontinuierlich angestiegen ist; es herrscht Konsens unter ÄrztInnen und ErgotherapeutInnen, dass die Händigkeit sich mit der motorischen Entwicklung eines Kindes manifestiert und sich bei den meisten Kindern schon mit vier Jahren zeigt.4

1 Ulf Prelle: Leichtigkeit. Eine ergänzende Streicher­methodik zur Befreiung der rechten und linken Hand, Mainz 2015. Bei Zitaten aus diesem Buch wird im Folgenden die Seitenangabe in Klammern angegeben.
2 Walter Mengler: Musizieren mit links. Linkshändiges Instrumentalspiel in Theorie und Praxis, Mainz 2010. Bei Zitaten aus diesem Buch wird im Folgenden die Seitenangabe in Klammern angegeben.
3 vgl. Johanna Barbara Sattler: Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn, 12. Auflage, Donauwörth 2013, S. 47.
4 vgl. Almuth Vasterling/Gabriele Weiland/Johanna Barbara Sattler: Linke Hand – Rechte Hand. Ein Ratgeber zur Händigkeit, Idstein 2011, S. 14 f.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2016.