Sor, Fernando

L’Encouragement op. 34

für zwei Gitarren

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2013
erschienen in: üben & musizieren 2/2014 , Seite 60

Mit der „Neuen Karl Scheit Edi­tion“ reagiert das Wiener Verlags­haus, das jahrzehntelang Scheits Publikationsreihe „Musik für Gitarre“ veröffentlicht hat, auf neue Anforderungen: Längst genügt es nicht mehr, sich auf den Namen eines Herausgebers als Verkaufsgaranten zu verlassen. Auch die Zielgruppe, an die sich heutige Herausgeber wenden, hat sich längst an einen zuverlässigen Umgang mit historischen Quellen gewöhnt. Scheit selbst hatte bereits damit begonnen, Faksimi­les von Tabulaturen oder Handschriften in seinen späteren Ausgaben mit zu liefern.
Das vorliegende op. 34 von Fernando Sor wurde 1970 allerdings in Scheits alter Ausgabe ohne den abschließenden Valse veröffentlicht. Bereits 1958 hatte es eine Ausgabe Scheits im Österreichischen Bundesverlag gegeben. Die Neuausgabe von 2013 ist selbstverständlich vollständig, beruft sich aber – wie bereits die vorherige Ausgabe – nicht auf Sors Original: „Als Vorlage für diese Ausgabe diente überwiegend die überarbeitete Fassung von Napoleon Coste (1805-1883).“
Schade, dass diese Information erst im Vorwort mitgeteilt wird und nicht schon auf dem Titelblatt zu finden ist. Coste löste sich von Sors Anliegen, dass der Schüler als „Aufmunterung“ mit der Unterstützung des Lehrers in Form eines klangvollen Duos musiziert, und arrangierte es für „deux Guitares concertants“, das heißt die Aufgabenverteilung beider Stimmen wird auf beide Spieler gleich verteilt. Die Rollenverteilung von Gitarre 1 „L’Elève“ und Gitarre 2 „Le Maître“ wird zugunsten einer paritätischen Schwierigkeitenverteilung aufgegeben. Das wird in ­einer konzertanten Situation ­si­cherlich funktionieren und ist auch vertretbar, sollte aber klar angezeigt sein.
Die Ausgabe enthält eine Par­titur und zwei Einzelstimmen. „Die Fingersatzvorschläge entstanden nach den Vorgaben des Komponisten und Arrangeurs und wurden nach historischen Quellen ergänzt“, heißt es im Vorwort. Doch es ist festzustellen, dass von den Fingersätzen, die der Komponist seiner Schülerstimme beigefügt hat, häufig abgewichen wird. In Costes Arrangement finden sich nur gelegentlich Lagenbezeichnungen und selten weitere Angaben zum Fingersatz.
Die historischen Quellen sprechen im Übrigen eine deutliche Sprache zu genau dieser Thematik. In Sors Schule heißt es dazu: „Der Fingersatz meiner Fantasie für zwei Guitarren, ,die Aufmunterung‘ betitelt, zeigt in der Partie des Schülers, auf welche Art ich das Ebengesagte in Anwendung bringe. Man wird sehen, wie sehr ich die leeren Saiten in dem Cantabile benutze, damit die Töne anhaltender werden, und um mir in den bewegtern Stellen Veränderungen der Lage zu ersparen.“ Die aktuelle Ausgabe ist deshalb von der ursprünglichen Intention Sors weit entfernt.
Drucktechnisch und von der Praxistauglichkeit gibt es keine Einwände. Das Druckbild der Stimmen ist klar und es gibt keine problematischen Blätterstellen.
Andreas Stevens-Geenen